Schon interessant, da macht man nicht einfach Ferien ins Blaue hinaus, sondern lässt sich für einmal etwas einfallen und legt den Sommerferien ein Konzept zugrunde — und was passiert? Die Medien greifen die Idee auf und füllen damit ihr Sommerloch. Was für Koinzidenz der Berichterstattung!

Die gedruckte Ausgabe von Miss Jemima’s Swiss Journal war die Inspiration für Diccon Bewes‘ Reise von 2013

Unsere diesjährigen Ferien standen unter dem Motto: Unterwegs auf Miss Jemimas Spuren. Miss Jemima war eine 31-jährige Engländerin aus Selby in Yorkshire, die 1863 mit Thomas Cook’s allerersten Gruppenreise in die Schweiz reiste. Die Details dieser Testreise sind bekannt, weil sie ein wunderschön gestaltetes Reisetagbuch führte, das glücklicherweise erhalten geblieben ist und am Ende des Zweiten Weltkriegs aus den Trümmern eines zerbombten Londoner Hauses geborgen wurde. Der in der Schweiz lebende englische Autor Diccon Bewes hat 2013 — also exakt 150 Jahre später — Miss Jemima’s Trip in die Schweiz nachgereist. Daraus ist ein überaus interessantes Buch über die erste Gruppenreise von Thomas Cook in die Schweiz und den heutigen Sommertourismus in den Alpen entstanden, vgl. mein Beitrag Die Erfindung des Gruppentourismus von 2014.

Diccon Bewes‘ Reisebuch „Slow Train to Switzerland“ war die Inspiration für unsere Sommerferien.

Während Diccon Bewes versuchte, die Reise von Miss Jemima und ihrer Gruppe möglichst akkurat zu rekonstruieren, war sein Buch eine Ideen-Fundgrube für unsere Konzeptferien: Miss Jemima und Diccon Bewes reisten von London über Paris nach Genf — wir stiegen in Luzern in den direkten Zug nach Genf. Sie nahmen sich für die westlichen Alpen (Genf – Chamonix – Sion – Leukerbad – Kandersteg – Interlaken) eine Woche Zeit, während wir je zwei ganze Tage in Genf und Chamonix verbrachten und am Ende der ersten Woche in Leukerbad ankamen, wo wir für zwei weitere Wochen eine Ferienwohnung angemietet hatten. Unsere Rückreise aus dem Wallis über Interlaken und den Brünig nach Luzern entsprach plus minus der Reiseroute von Miss Jemima und Diccon Bewes, die allerdings eine Zusatzschlaufe ins Berner Oberland machten und nach ihrem Luzernbesuch noch schnell auf die Rigi stiegen/fuhren.

Hier die Reiseroute von Miss Jemima und Diccon Bewes im Schnelldurchlauf als Google-Earth-Film (3:18):


Mein Google-Earth-Filmli hat zwischendurch nervöse Zuckungen, dennoch lohnt es sich, den Google-Earth-Film in einem separaten Tab gross anzuschauen. Es zeigt eindrücklich Miss Jemima’s Reiseroute durch die Savoyer Alpen, das Wallis, das Berner Oberland und die Zentralschweiz — die heute als Via Cook vermarket wird.

Wieder zurück von den Sommerferien auf Miss Jemimas Spuren kündigte das Schweizer Fernsehen Die Alpenreise als diesjährigen Sommerschwerpunkt von «Schweiz aktuell» an — als roter Faden durch die dreiwöchige Vorabendserie dient Miss Jemima’s Swiss Journal (hier gibt es PDFs von Jemimas Tagebuch im handschriftlichen Original und in einer deutschen Übersetzung — grossartig!). Als Auftakt zur Serie reiste Moderator Michael Weinmann nach London, wo er sich am Hauptsitz des legendären englischen Reiseveranstalters Thomas Cook das Originaltagebuch von Jemima Morell zeigen liess:


«Schweiz aktuell» für einmal aus London vom Firmensitz von Thomas Cook, wo Miss Jemimas Reisebericht wie ein Schatz gehütet wird. Der Beitrag ist in Schweizerdeutsch, aber in den Einstellungen können hochdeutsche Untertitel angewählt werden.

Von dieser Reise von «Schweiz aktuell»-Moderator Michael Weinmann nach London liess sich wiederum der BLICK zu einem fünfspaltigen Aufmacher über das dreiwöchige TV-Sommerprojekt mit Miss Jemimas Reisetagebuch als rotem Faden inspirieren: Als die Schweizer Sherpas waren (BLICK vom 9.7.2018). Ich hätte nie gedacht, dass unsere Konzeptferien ein derartiges Medienecho auslösen würden!