Ostern verbrachten wir wieder einmal im Malcantone, im „schlechten Kanton“ — diese Übersetzung hat zwar ihren Reiz, ist aber wahrscheinlich doch zu salopp. Warum das westliche Hinterland von Lugano so heisst, ist nämlich ungeklärt, es gibt immerhin drei recht verschiedene Deutungsansätze. Ausserdem ist im Schweizerdeutschen „en schlächte Kanton“ auch ein Ausdruck für einen unzuverlässigen Menschen.

Doch zuerst ein paar Bilder von unserem Albergo mit gigantischer Chügelibahn (ein Traum für jeden Göttibub!) und toller Aussicht über den Malcantone:


Obwohl Frau Frogg jedes Mal friert, zieht es uns an Ostern immer wieder nach Arosio ins Ristorante e Albergo San Michele. Die Küche ist ausgezeichnet, die Zimmer sind einfach, aber schön und preiswert, und die Aussicht traumhaft. Ausserdem ist Arosio als oberstes Dorf im Tal gut zu erreichen und ein idealer Ausgangspunkt für zahlreiche Wanderungen. Hier der Ausblick von unserem Zimmer:


Die Hügel des Malcantone bei unserer Ankunft am Karfreitag, 6. April 2012, um 19 Uhr: Die Strassen sind noch nass vom Regen — zum Vergrössern aufs Bild klicken!

Doch warum heisst der Malcantone „schlechter Kanton“? Vor knapp einem Monat hat die Mailbox von Schweizer Radio DRS versucht, genau diese Frage zu beantworten:

Deutungsversuch 1: Malus angulus
Im 17. Jahrhundert bezeichnete der Bischof von Como die damals sehr arme Gegend als „schlechten Winkel“ oder als „schlechte Ecke“, weil ihre Bewohner nicht besonders gläubig waren und den Zehnten nur widerwillig ablieferten. Cantone heisst übrigens auf Deutsch nicht nur „Kanton“, sondern auch „Ecke“.

Deutungsversuch 2: Magli — Hammerschmieden
Entlang der Magliasina, die das Tal entwässert, gab es früher zahlreiche Hammerschmieden und Mühlen. Gut möglich, dass „magli“, der Plural vom italienischen Wort „maglio“ (= grosser Hammer, Ramme), im Tessiner Dialekt zu „mal“ abgeschliffen wurde. Dann wäre der Malcantone der „Hammerkanton“ oder die „Hammerecke“.

Deutungsversuch 3: Gegend der schlechten Kantonisten
Laut einer dritten Variante bedeutet Malcantone „unsicheres Gebiet“, weil die dicht bewaldeten Hügel Kriegern, Deserteuren, Räubern, Schmugglern sowie Flüchtlingen Unterschlupf boten.

Gemäss Mundartlexikon (Dieser Link funktioniert leider nicht mehr!) könnte der Ausdruck „schlechter Kanton“ damit zu tun haben, dass zu Zeiten der alten Eidgenossenschaft Soldaten kantonsweise ausgehoben wurden. Dieser schweizerdeutsche Ausdruck ist das Pendant zu „schlechter Kantonist“, stammt aus dem 18. Jahrhundert und stand ursprünglich für einen, der sich durch Flucht aus seinem Kanton der Rekrutierung entzogen hat. Der Malcantone wäre dann das Land der Deserteure oder zumindest der schlechten Kantone…


Der Blick aus unserem Zimmer am Ostersonntag, 8. April 2012, um 11.15 Uhr zeigt ein vom Nordföhn gewaschenes Panorama — zum Vergrössern aufs Bild klicken!

Ich finde: Der Malcantone ist doch gar nicht so ein schlechter Kanton und eine recht schöne Ecke des Tessins!