In diesem Eintrag geht es für einmal nicht um das Wanderparadies an der Elbe, sondern um eine Wanderautobahn in der richtigen Schweiz, um zwei Streithähne, die um eine Alp und den „richtigen“ Tourismus streiten, und einen richtig harten Käse, der schon immer nach Italien exportiert wurde.
Am letzten Sonntag hatten wir die glorreiche Idee, die 4-Seen-Wanderung zu machen, die von der SBB als Klassiker unter den Höhenwanderungen in der Zentralschweiz zum Schnäppchenpreis angeboten wird. Natürlich waren wir nicht die einzigen, die an diesem schönen und heissen Tag in die Höhe wollten. Hier die 4-Seen-Wanderung im Überblick:
1. Mit Bähnli eins zum See eins
Bähnli eins ist zugleich auch Sektion eins der Titlisbahnen. Das heisst: Zirka 20 Minuten anstehen zusammen mit all den Touristen, die auf den Titlis wollen. Darunter sind viele Inder, die den Berg aus den Bollywood-Filmen kennen. Frau Froggs Kommentar zum Berg der indischen Träume: Ich hasse Bergspitzen.
2. Böötlifahren auf dem Trübsee
Von der Station Trübsee ist es nicht weit zum Trübsee, einem idyllischen Bergsee mit Selbstbedienungsruderbootvermietung: Man leiht sich am Steg eines der vier oder fünf Ruderboote, rudert auf dem See herum, solange man Lust hat, und wirft nach der Böötlifahrt zehn Franken pro Stunde in die Kasse am Steg — erstaunlich, dass dieses System funktioniert. Aber wir hatten leider keine Zeit zum Böötlifahren, sondern wollten so rasch wie möglich auf den Jochpass.
3. Saharastaub auf Schneefeldern
Mit der Sesselbahn überwanden wir locker die letzten 400 Höhenmeter zum Jochpass, der das Engelberger Tal mit dem Haslital verbindet. Die Schneefelder, über die wir hinweg fuhren, waren stellenweise rötlich gefärbt — vom Saharastaub, der vom Wind aus Afrika her verfrachtet wurde. Beim Skifahren ist dieser rötliche Staub lästig: Er bremst die Fahrt beträchtlich…
4. Auf der historischen Sbrinz-Route
Auf dem ersten Abschnitt unserer Wanderung folgten wir der Sbrinz-Route, die auf historischen Saumpfaden von Luzern nach Domodossola führt (Zum Vergrössern auf nebenstehende Karte klicken!). Diese Route diente schon im 14. Jahrhundert dem Salzhandel und ab etwa 1500 transportierten die Säumer auch den Sbrinz nach Italien. Dieser extraharte Käse, der in der Innerschweiz hergestellt wird, war und ist in Italien überaus beliebt. Die ViaSbrinz ist eine von zwölf nationalen Kulturwegrouten, die als Projekt von ViaStoria die Tourismuslandschaft Schweiz auf historischen Wegen erschliessen und den naturnahen Tourismus fördern.
5. Der Engstlensee — ein Naturidyll
Die Alpenflora ist eine Pracht — hier eine Auswahl von wunderschönen Alpenblumen am Wegrand:
6. Nostalgie auf der Engstlenalp
Das Hotel auf der Engstlenalp weckt Erinnerungen: Vor bald 20 Jahren habe ich hier zweimal übernachtet — einmal auf einer Wanderung vom Jochpass über die Tannalp bis auf Planplatten (eine Variante der aktuellen Route) und einmal als Etappenort einer Weitwanderung von Montreux nach Altdorf. Deshalb war für mich klar, wo wir fürs Mittagessen einkehren würden: auf der Terrasse des Hotel Engstlenalp.
Seither hat sich einiges verändert: Die Älpler auf der Engstlenalp käsen nicht mehr selber, sondern bringen seit 2002 ihre Milch in die neue Schaukäserei — eine an sich gute Einrichtung, wenn nur ihr Bau nicht eine halbe Million teurer geworden wäre als geplant. Und Familie Immer hat Konkurrenz bekommen: Der Interlakner Garagist Wenger betreibt die Rossbodenhütte mit einer ganz anderen Philosophie — er setzt mehr auf erlebnisorientierte Event-Gastronomie. Seit Wenger die Erlaubnis hat, im Winter die Gäste mit dem Schneetöff von der Talstation des Jochpass-Sessellifts abzuholen, ist der Streit um die richtige Tourismusstrategie für die Engstlenalp entbrannt. Letztlich geht es darum, ob die Engstlenalp mit dem Zusammenschluss der Skigebiete Engelberg-Titlis, Melchsee-Frutt und Meiringen-Hasliberg für den Wintertourismus erschlossen wird oder ob die Engstlenalp ein Ort des sanften Tourismus bleibt:
Dieser „Heimatfilm“ über das Alpleben und das Schwingen, über die Sbrinz-Säumerei und übers Angeln im Engstlensee, über Politik und Naturschutz, über eventorientierten oder sanften Tourismus zeigt die Engstlenalp nicht als Bergidyll, sondern als Zankapfel zweier Streithähne: Immer und Wenger, zwei Bergler, die von Kindsbeinen an mit der Engstlenalp verbunden sind, doch ihre Träume von der Zukunft der Alp könnten unterschiedlicher nicht sein. Ich kenne die Engstlenalp, die Region und die Diskussion über die Zukunft des Tourismus recht gut, aber in diesem informativen Film habe ich doch Neues und Interessantes erfahren — er ist sozusagen der Film zu dieser Wanderung.
7. Der Tannensee im Sommer
Auch am Tannensee hat ein Event-Gastronom einen Betrieb aufgemacht: Open air verkauft er Raclette vom offenen Feuer und Kaffee Schnaps (nicht mit Zwetschgenwasser, aber anderem Hochprozentigem). Und: Im Sommer sieht der Tannensee ganz anders aus als im Winter, wenn die ganze Landschaft wie in Watte eingepackt ist, vgl. Frau Froggs Reportage aus der Schneehölle von Januar 2007.
8. Kühe im Melchsee
Auch am Melchsee tut sich einiges: Acht Jahre nach dem Brand des Sporthotels Kurhaus hat 2011 der Ersatzbau, das Hotel Frutt Lodge & Spa, den Betrieb aufgenommen. Aber auch sonst wird gebaut wie verrückt. Sind die Baukräne Vorboten für einen neuen Tourismus auf der Frutt?
9. Neuer Vertikallift — neue Gondelbahn
Mit dem neuen Vertikallift, der 32 Höhenmeter überwindet und somit der „kleinere Bruder“ vom freistehenden Personenaufzug in Bad Schandau ist, sind wir im Winter schon einmal gefahren: vgl. Braut in Schwierigkeiten von Frau Frogg. Neu ist auch die 15er-Gondelbahn, die uns runter zur Stöckalp bringt. Sie hat 2012 den Betrieb aufgenommen — die alte Bahn wurde inzwischen abgebrochen.
Fazit: Ein erlebnisreiche Wanderung mit 4 Seen und 3 Bähnli — einziger Wermutstropfen: Auf der „Wanderautobahn“ waren für unseren Geschmack etwas zu viele Leute unterwegs.
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