Auch für mich ist mein Freitagstexterbild eine Entdeckung. Entdeckt habe ich ein Künstlerpaar, das schon über 25 Jahre aktiv ist, das ich aber bis anhin nicht auf dem Radar hatte: Sabina Lang und Daniel Baumann, kurz L/B, haben diese Installation mit dem Titel Beautiful Tubes #5 gestaltet. Ihre seltsame „Kunst am Museum“ in der Villa dei Cedri in Bellinzona ist Teil der Ausstellung Dimensione Disegno. Posizioni contemporanee, die noch bis 7. August 2016 zu sehen ist.

Up #1 — Die L/B-Skulptur ist seit 2014 das Wahrzeichen von sic! Raum für Kunst in Luzern.
www.sic-raum.ch

Ich hätte schon früher auf Lang/Baumann stossen können, fahre ich doch seit zwei Jahren wöchentlich mindestens zweimal an einem L/B-Werk vorbei. Selbstverständlich ist mir die weisse Skulptur an der Einfahrt zum Bahnhof Luzern aufgefallen, aber es wäre mir nicht in den Sinn gekommen, mehr zu diesem Werk zu recherchieren. Die L/B-Skulptur in Luzern soll ein Leuchtturm für zeitgenössische Kunst sein und als Wahrzeichen für den sic! Raum für Kunst dienen. Tatsächlich ist das Wahrzeichen schier grösser als das „sic!-Elephanthouse“, eine zwischengenutzte, 50 qm grosse Garage, die von aussen unscheinbar wirkt und innen als „White Cube“ ausgestaltet ist. Up #1 (2014) sieht bisweilen aus wie ein rechtwinkliger Elefantenrüssel und nimmt mit der strahlend weissen Farbe Bezug auf das Innere des Kunstraums.

Die Kunstprojekte auf auf langbaumann.com zeigen, wie vielseitig das Künstlerduo ist. Ihre Installationen sind aussergewöhnliche Interventionen, die urbane Landschaften, ländliche Zonen oder auch Innenräume von Gebäuden so verändern, dass man innehalten und nachdenken, manchmal auch schmunzeln muss. Da gibt es vielversprechende Türen und Treppen, die aber letztlich aber keinen Sinn machen, da werden Gebäude gepolstert als wären sie zerbrechlich und müssten geschützt werden, da ragen dicke Rohre aus der Loggia einer Villa, aber zu welchem Zweck? Das ist letztlich auch die Frage, die in dieser Ausgabe des Freitagstexters zu beantworten war.

Schöne Rohre

Acht Vorschläge sind eingegangen, wie die schönen Rohre von Bellinzona interpretiert werden könnten. Interessanterweise haben alle das Wort „Rohr“ vermieden. Bee ist mit seinen Installateuren noch am nächsten bei den Rohren geblieben. Bei den anderen Vorschlägen sind die Beautiful Tubes wahlweise Cohibas Gigantes (Vielfrass), eine übergrosse Couch (Spätlese trocken), CANON-Teleobjektive (Rain), gigantische Tampons zur Haustrockenlegung (iGing), Legoteile (nochmals Bee), Küchenpapierrollen (lamiacucina) oder eine Problemlösung aus dem Bedienhandbuch der Tunnelvortriebsmaschinen (NeonWilderness) — spannend, welche Assoziationen die rätselhaften Rohre auslösten!

Die Jury hatte es nicht einfach, denn alle acht Vorschläge, die eingegangen sind, haben ihren Reiz. Schliesslich hat sie sich für den Vorschlag von Rain entschieden, weil seine übergrossen Kamera-Rohre ein Mahnmal gegen den Überwachungsstaat und nachbarschaftliche Neugier sind. Damit geht der Pokal — nach meinem Wissen zum ersten Mal — an den Soulweeper. Applaus und herzliche Gratulation!

Freitagstexter vom 15.7.2016„Das neue CANON-Teleobjektiv richtete sich schon bei seiner Erstvorstellung an eine sehr überschaubare Kundenklientel und kam in erster Linie im Rahmen der nachbarschaftlichen Überwachung zum Einsatz.“

Und hier geht’s zum nächsten Freitagstexter:

Die ewige Bestenliste auf Twitter: twitter.com/Freitagstexter

⇒ Mehr über L/B inklusive filmisches Künstlerportrait von ARTE (2009, 26 Min.)
⇒ Die Villa dei Cedri in Bellinzona auf stories & places