Letzte Woche war ich wieder einmal als Umarell unterwegs: Ich besuchte meine zwei ehemaligen Wohnorte in Luzern und musste feststellen, dass beide alten Häuser durch Neubauten ersetzt werden. Bonjour tristesse!
Das alte Haus Nr. 1
Meine erste Loge in Luzern war ein WG-Zimmer an der Diebold-Schilling-Strasse mit Aussicht auf eine Weide, die mittelalterliche Stadtmauer und das Château Gütsch. Grossartig! Einzig die Anfahrt mit dem Velo war überaus steil, denn die Diebold-Schilling-Strasse ist effektiv so stotzig, wie auf folgenden Bildern (Die ersten beiden Fotos verdanke ich Benjamin Kunz, der sie im Februar 2017 aufgenommen und auf Google Street View publiziert hat.):
Hier wohnte ich um die Jahrtausendwende. Dass ich damals genossenschaftlich wohnte, war mir nicht bewusst, weil mein WG-Kollege Hauptmieter war. Aber die Liegenschaft gehört der KAB Wohnraumgenossenschaft, die 1991 gegründet wurde. Die von der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) des Kantons Luzern initiierte Genossenschaft ist dem gemeinnützigen Wohnungsbau verpflichtet und hat bis anhin 23 Liegenschaften erworben. Es ist das erste Mal, dass sie zwei Häuser abbrechen und durch Neubauten ersetzen lässt — «aus finanziellen Überlegungen», wie Luzerner Zeitung berichtet. Anstelle der beiden 1946/47 gebauten Häuser mit 18 Wohnungen entstehen bis Ende 2024 zwei Neubauten mit 24 Wohnungen, die «im unteren Bereich der marktüblichen Preise» vermietet würden. Na dann halt…
Das alte Haus Nr. 2
Im April 2001 zügelten wir — Frau Frogg und ich — an die Libellenstrasse in eine Dachwohnung mit grossartiger Aussicht übers Mittelland und gelegentlichem Helikopterlärm von Rega-Helikoptern, die auf dem Dach des Kantonsspitals landeten.
Auch dieses Haus gehört einer Wohnbaugenossenschaft, der 1929 entstandenen Wohnbaugenossenschaft Luzern. Angesichts der akuten Wohnungsnot in der Zwischenkriegszeit wollten gewerbliche Kreise günstigen Wohnraum für ihre Mitarbeitenden schaffen. So gründeten 21 Gewerbefamilien aus der Stadt Luzern eine liberale Baugenossenschaft, die bis heute dem gemeinnützigen Wohnungsbau verpflichtet ist. Speziell: Die Mieter:innen können nicht Mitglied werden.
Auch als ganz gewöhnliche Mieter:innen haben wir gerne in dieser Dachwohnung an der Libellenstrasse gewohnt, denn die Wohnung war gross genug, hell und zahlbar. Man konnte auf dem Bett liegen und durchs grosse Dachfenster den Wolken zuschauen. Dank weiss gestrichenen Holzdecken und dunklen Dachbalken hatte diese Wohnung viel Charme. Wir haben deshalb nie an einen Umzug gedacht. Aber dann machte das Gerücht die Runde, die WBG wolle 12 von ihren 20 Häusern abreissen und durch Neubauten ersetzen. Und tatsächlich: 2015 hatte das Architekturbüro Loeliger Strub den Wettbewerb gewonnen und mit der Planung der Ersatzneubauten begonnen. Aber erst im September 2017 informierte die WBG die Mieter:innen über ihre Pläne (siehe auch www.libellenhof-luzern.ch):
Baugespanne künden Unbill an, vor allem, wenn sie neben dem eigenen Haus aufgestellt werden. Uns war schon länger klar, dass wir über kurz oder lang aus unserer Dachwohnung ausziehen müssen. Schon bevor die WBG im September 2017 über ihr Vorhaben informierte, haben wir unsere Optionen geprüft und überlegt, welchen Anforderungen eine neue Wohnung entsprechen müsste. Wir begannen, eine zahlbare neue Wohnung zu suchen, und behielten gleichzeitig den Projektfortschritt an der Libellenstrasse im Auge, denn unsere Vermieter hatten versprochen, wir als langjährige Mieter:innen würden auf jeden Fall im Quartier bleiben können. Schliesslich haben wir uns für diejenige Option entschieden, bei der zuerst klar wurde, wie es weitergeht: für den Umzug ins ABL-Vorzeigeprojekt Himmelrich 3.
Vor ziemlich genau fünf Jahren sind wir von der Libellenstrasse ins Himmelrich 3 gezogen, wo eine praktisch gleich grosse Neubauwohnung im Monat etwa 500 Franken mehr kostet als die Dachwohnung in unserem alten Haus. Hätten wir uns damals nicht für die Züglete entschieden, hätten wir noch vier, fünf Jahre bleiben können, dann aber gleich zweimal zügeln müssen: Zuerst in ein Provisorium in den Häusern der zweiten Etappe (die heute grösstenteils von Ukraine-Flüchtlingen bewohnt werden) und dann in die Neubauten, die jetzt anstelle unserer alten Häuser entstehen. Im Nachhinein ich bin ganz froh, dass wir in nächster Zeit nicht umziehen müssen und auf die Grossbaustelle in der Nachbarschaft kann ich auch als passionierter Umarell gerne verzichten. Auch wenn mir die tolle Aussicht von der alten Dachwohnung manchmal fehlt, haben wir uns im Himmelrich 3 so gut eingelebt, dass wir nicht mehr zurück an die Libellenstrasse möchten.
Schliesslich noch dies:
Als ich letzthin im «10 vor 10» einen Bericht über Asbestsanierungen sah, hat mich fast der Schlag getroffen: Ein Asbestexperte führte durch eine Altbauwohnung und erklärte, wo beim Bauen überall Asbest (seit 1990 verboten) verwendet wurde. Die Wohnung kam mir ziemlich bekannt vor — es war unsere alte Dachwohnung an der Libellenstrasse.
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