Am Tag 7 in der Sächsischen Schweiz fahren wir über die nahe tschechische Grenze in die Böhmische Schweiz (České Švýcarsko) und besuchen Děčín. Die Stadt an der Labe — wie die Elbe hier heisst — begrüsst uns mit träger Apathie und zehrt von verblichenem Glanz.

Entlang der Elbe / Labe

Der grenzüberschreitende Regionalzug bringt uns in einer halben Stunde ins tschechische Děčín. Die landschaftliche schöne Bahnstrecke führt dem Fluss entlang durchs dünn besiedelte Elbsandsteingebirge, dann öffnet sich das Tal zu einem weiten Kessel mit der Industrie- und Verwaltungsstadt Děčín im Zentrum. Schon die Fahrt auf der „scenic route“ ist ein Erlebnis:


Bad Schandau mit Hotelkästen und Toscana-Therme


Güterzug bei den Schrammsteinen


Flusskreuzfahrt wegen Hochwasser abgesagt


Auch an der Labe verbinden Fähren die beiden Ufer

Děčín hat nicht auf uns gewartet

Das nordböhmische Städtchen ist ganz und gar nicht auf Touristen eingestellt: Am Bahnhof haben wir erhebliche Schwierigkeiten uns zurechtzufinden, weil weit und breit kein Stadtplan zu finden ist, weil nur wenige deutsch oder englisch sprechen und weil trotz Grenznähe tschechische Kronen das einzige Zahlungsmittel sind. In Der eiserne Vorhang beschreibt Frau Frogg unser Gefühl der Unwillkommenheit bei unserer Ankunft.

Vermutlich ist diese träge Apathie, mit der uns die Stadt empfängt, Ausdruck der wirtschaftlichen Depression, unter der Tschechien und insbesondere die nordböhmische Region Ústecký leidet. Während 2005 gemäss Wikipedia der Durchschnittslohn in der Region Ústecký nur etwa 90% des Landesdurchschnitts betrug, war die Arbeitslosigkeit mit 15.41% weit höher als in den 13 anderen Regionen und fast doppelt so hoch als der Landesdurchschnitt von 8.88%. Děčín ist als Zentrum in einer strukturschwachen Region definitiv keine boomende Stadt, deshalb verwundert nicht, dass auch das Bahnhofsquartier mit stark reduzierter Geschwindigkeit unterwegs ist.


Das Schloss — Sehenswürdigkeit Nr. 1 von Děčín


Die Brücke über die Labe (Elbe) verbindet die Stadtteile Podmokly (Bodenbach) und Děčín (Tetschen), die bis 1942 eigenständige Städte waren. Unterhalb dieser Brücke wird bei Niedrigwasser der Hungerstein sichtbar. Die Inschrift „Wenn du mich siehst, dann weine“ verweist darauf, dass auch zu wenig Wasser ein Problem ist.


Auch diese Häuserzeile am Fuss der Schäferwand war vom Hochwasser betroffen — darüber das „Château Gütsch“ von Děčín, ein Ausflugsrestaurant in Form einer romantischen Burg.


Das Rathaus von Děčín

Děčíns verblichener Glanz

Das Schloss mit seinen repräsentativen Räumen zeugt von Děčíns glanzvoller Vergangenheit — die Erinnerung an bessere Zeiten hilft, die aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu cachieren und zu verdrängen. Frau Frogg schildert hier ihre Eindrücke von unserem Besuch im Schloss von Děčín.


Schon der Aufgang zum Schloss ist grossartig inszeniert. Bild: fotofrogg


Der Zugang zum Schloss erfolgt über diesen Graben.


Hinter dem Eingangstor öffnet sich dieser grosszügige Schlosshof.


Die elegant eingerichteten Räume in diesem Gebäudeflügel sind nur mit einer Führung zu besichtigen, aber mit der deutschen Übersetzung auf dem Audioguide lohnt es sich. Bild: fotofrogg


Die Aussicht aus den Fenstern des Eckzimmers im Schlossturm reicht vom Schlosspark über Podmokly (Bodenbach) und die Schäferwand bis zur Elbbrücke von Děčín — zum Vergrössern aufs Bild klicken!

I Never Promised You A Rose Garden

Der Rosengarten ist eine Überraschung für uns beide, aber der Hauptgrund, weshalb wir von diesem Rosengarten so angetan sind, ist seine reizvolle architektonische Anlage: Der Lustgarten zwischen der Mauer des Aufgangs zum Schloss und der Mauer über dem Schlossfelsen ist eine Terrasse über der Stadt. Am hinteren Ende des Rosengartens führt eine Treppenanlage zu einer Gloriette, eine Art Schmuckpavillon, von der man eine grossartige Aussicht über die Stadt und ganzen Talkessel von Děčín geniesst:


Der Rosengarten ist eine Aussichtsterrasse über der Stadt.


Der Rosengarten mit Gloriette — ist am schönsten, wenn die Rosen blühen… (Bild: fotofrogg)


Die reizvolle Anlage des Rosengartens — im Hintergrund das Děčíner Schloss und das Ausflugsrestaurant auf der Schäferwand


Die Gloriette von unten und eine von vielen Rosen


Die Aussicht von der Gloriette des Rosengartens reicht von der Altstadt von Děčín, dahinter das Elbtal, über den Aufgang zum Schloss, den ganzen Talkessel bis zum Rosengarten (im Bogen der Gloriette) — zum Vergrössern aufs Bild klicken!

Kamera mit Sonnenbrand

Das Mittagessen — böhmische Knödel mit Gulasch — ist wenig überzeugend, das Bier hingegen schon: Gegen das Original-Budweiser ist das amerikanische Nachahmerprodukt eine wässrige Brühe.


Meine Kamera schält sich schon…

Zwei Geschwindigkeiten

Auch auf dem Weg zurück zum Bahnhof hinterlässt die Stadt der zwei Geschwindigkeiten einen zwiespältigen Eindruck: Das touristische Děčín ist fast mit normaler Geschwindigkeit unterwegs, während das gewöhnliche Děčín durch die wirtschaftliche Depression deutlich gebremst ist.


Am Hauptplatz hat sich Děčín herausgeputzt: Der Platz wirkt gepflegt und die Fassaden sind renoviert.


Diese bunte Fassade stammt aus einer ganz anderen Zeit und wirkt auf den ersten Blick nur etwas ausgebleicht, beim genaueren Hinsehen jedoch sieht man erste Spuren der Vernachlässigung aus Geldmangel: Die Leuchtreklame wurde nicht mehr erneuert und das improvisierte Dächli über dem Bankomaten hat ein Loch…


Die Liebesschlösser am Brückengeländer wiederum zeugen von Optimismus für die Zukunft.


Diese repräsentative Gebäudefront mit renovationsbedürftiger Fassade und dieses schöne Schokoladengeschäft zeugen von Děčíns verblichenem Glanz und dem Bemühen, den Courant normal aufrechtzuerhalten.

Unser Ausflug in die Böhmische Schweiz hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck: Děčíns touristische Attraktionen werden gepflegt, so gut es geht, während der Rest der Stadt unter dem Geldmangel leidet und leicht depressiv oder zumindest melancholisch wirkt.

Das Schloss und der Rosengarten von Děčín
auf der Kulturflaneur-Karte