Vom Hügel ob Locarno sind sie immer zu sehen: der Monte Tamaro und der Monte Gambarogno. Sie bilden sozusagen die Kulisse hinter der Magadino-Ebene und dem Lago Maggiore. Kein Wunder, sind sie auf unserer Liste potenzieller Ausflugs- und Wanderziele. Den Tamaro können wir jetzt abhaken: Wir haben den Erlebnisberg gründlich erlebt.
Zu erreichen ist der Monte Tamaro (1962 m.ü.M.) mit einer Gondelbahn, die von Rivera (dem ersten Dorf südlich des Ceneri) auf die Alpe Foppa auf 1530 m.ü.M. führt. Schon während der Fahrt mit den heidelbeeryoghurtlila Gondeln denke ich, dass mit diesem Berg etwas nicht stimmt. Ãœberall sehe ich maniakmässig gekleidete Biker, die sich bergauf quälen, und bei der Mittelstation kann man sich von einem Turm ins Auffangnetz stürzen. Oben angekommen, wollen wir zuerst etwas essen, doch die Terrasse des Selbstbedienungsrestaurants zelebriert nicht etwa die spektakuläre Aussicht auf die Magadino-Ebene und den Pass, der das Tessin in das Sopraceneri und das Sottoceneri teilt, sondern lenkt die Aufmerksamkeit auf den Monte Tamaro, auf dessen Kamm ein markanter Sendeturm steht. Unsere akustische Aufmerksamkeit erheischt ein Alleinunterhalter, der sein breites Repertoire zum Besten gibt.
Dass Architektur auf dem Berg ein Erlebnis sein kann, beweist die Kapelle Santa Maria degli Angeli vom Tessiner Stararchitekt Mario Botta. Seine Kapelle ist sowohl geschäftige Aussichtsplattform als auch ein sakraler Raum der Ruhe und Besinnung: Die Metallkonstruktion am Ende der ummauerten Plattform ermöglicht oben eine noch bessere Aussicht, darunter dient sie als Glockenturm — eine clevere und schöne Inszenierung.
Etwas weiter oben gibt es noch mehr zu erleben: eine 800 Meter lange Rodelbahn und die mit 440 Meter längste Tyrolienne der Schweiz: Wie Tarzan kann kann man an einem Seil mit bis zu 60 km/h talwärts sausen und wird unten automatisch gebremst. Für uns ist das alles ein bisschen too much — deshalb wollen wir weiter hoch auf den Tamaro:
Auf dem Kamm des Tamaro, etwa 300 Meter hinter dem Sendemasten erreichen wir unser Tagesziel: die Capanna Tamaro (1867 m.ü.M.). Zum eigentlichen Gipfel (1962 m.ü.M.) wären nochmals gut ein Kilometer und 100 Höhenmeter zu bewältigen. Doch wir haben genug, geniessen das Panorama und den selber gemachten, sehr erfrischenden Sirup auf der Hüttenterrasse:
Auch hier oben ist der Erlebnisberg noch nicht zu Ende: Schwitzend und röchelnd kommen Biker daher, die auf der 33 km langen Runde über den Tamaro nach Arosio, runter nach Lamone und zurück zu Talstation unterwegs sind. Chapeau! Und zu Fuss wäre von hier in ca. dreieinhalb Stunden die Traversata zum Monte Lema zu machen (vgl. mein Eintrag Mit Flip-Flops am Hillary-Step), von dem man per Luftseilbahn nach Miglieglia im Malcantone runterfahren kann (Die beiden Bahnen sind auch im Package zu haben, ausserdem gibt es abends einen Shuttle-Bus von Talstation zu Talstation).
Wir jedoch nehmen den gleichen Weg zurück zur Alpe Foppa, verzichten auf jegliche Zusatzerlebnisse und sind froh, dass der Alleinunterhalter die Beschallung des Bergs eingestellt hat.
Unnötig zu erwähnen: Die Badekrake bei der Talstation gehört natürlich auch zur Tamaro-Erlebniswelt! Und hier das Fazit: Dieser Berg ist Erlebnis genug, von mir aus braucht es weder eine Downhill-Piste noch eine Tyrolienne und auch keinen Alleinunterhalter, der den ganzen Berg beschallt — die Botta-Kirche hingegen kann als Zusatzerlebnis bleiben…
23. August 2015 um 16:02 Uhr
Ja, wirklich. Man wird gründlich bespasst auf dem Tamaro. Auch für meinen Geschmack zu gründlich.
23. August 2015 um 19:21 Uhr
Und ich hatte letztes Jahr bei meinem Besuch auf der Alpe Foppa noch gehofft, der Alleinunterhalter sei an jenem Tag ausnahmsweise dort oben zugange gewesen!
25. August 2015 um 10:14 Uhr
Also wir waren an einem Sonntag auf dem Tamaro. Vielleicht wird der Tamaro nur sonntags beschallt? Abgesehen davon habe ich schon schlechtere Alleinunterhalter erlebt…