Vorgestern ist es wieder passiert. Ich wollte den schönen Herbsttag geniessen und machte mich auf den Weg auf die Krienseregg. Als ich oben ankam, war es verdächtig still: Kein Bähnli, das über die Seilbahnstütze rattert, kein Kindergeschrei auf dem Spielplatz und alle drei Bergbeizen zu. Selber schuld, denn mit einem Blick auf www.pilatus.ch hätte ich feststellen können, dass die Bergbahn wegen Revision nicht fährt. Dasselbe Malheur passierte mir vor zwei Jahren schon einmal, allerdings bemerkte ich meinen Fehler schon an der Talstation und landete schliesslich, weil ich unbedingt dem Hochnebel entfliehen wollte, auf dem Säntis… Doch diesmal war es schlimmer: keine Beiz, kein Proviant, kein Bähnli zum Runterfahren.

Meine herbstlichen Irrwege ob Kriens (zum Vergrössern auf die Karte klicken!) führten mich von der Endstation des 1ers im Obernau (1) in 75 Min. auf die Krienseregg (5) und, weil da alles zu war, in 25 Min. ins Dorschnei (6) und in weiteren 70 Minuten wieder zurück auf Feld 1. Rot: Effektive Wanderroute, rote Kreuze: geschlossene Bahnen und Restaurants. Gelb: Gondelbahn Kriens – Krienseregg – Fräkmüntegg. Pink: Strecke des Bergrennens in den 20er Jahren.

Der Plan

Als ich vorgestern an der Endstation der Buslinie 1 in Obernau (1) ausstieg, war mein Plan, gut 400 Höhenmeter auf die Krienseregg (5) hochzuwandern, auf der Sonnenterrasse des Restaurant Zmittag zu essen und dann mit dem Bähnli wieder runterzufahren. Schwitzend setzte ich der ersten Teil des Plans in die Tat um, freute mich über das prächtige Herbstwetter, die schönen Farben der Blätter und die mit zunehmender Höhe bessere Aussicht auf das Ränggloch, den Sonnenberg und das Mittelland. Keine Option war die Wallfahrtskirche in Hergiswald (4), denn „das Gasthaus Hergiswald oberhalb von Kriens wurde Ende 2016 geschlossen und auf den Grundmauern nach Plänen des renommierten Bündner Architekten Gion A. Caminada neu aufgebaut. Die Arbeiten sind in der Schlussphase. Das neue Gasthaus soll im Frühjahr 2019 öffnen,“ schrieb die Luzerner Zeitung am 28.8.2018.

Stille

Dieses Bild stammt von einem früheren Besuch auf der Krienseregg: Die rote Gondel bitte wegdenken…

Als ich schweissgebadet auf der Krienseregg (5) ankam, war es verdächtig still: Weder das Geräusch der Gondeln, die bei der Mittelstation über die Stützen rattern, noch das Kindergeschrei vom grossen Spielplatz war zu hören. Mir schwante Schlimmes, hatte ich doch weder Proviant eingepackt noch die Wanderstöcke mitgenommen, die ich für den steilen Abstieg brauchen würde. Und tatsächlich: Da die Bahn wegen alljährlicher Revision nicht fuhr, hatte auch das Restaurant zu (dieses Wochenende nehmen die Pilatus-Bahnen und die Restaurants am Berg den Betrieb wieder auf). Tote Hose auch im nahen Naturfreundehaus (vgl. Über dem Nebel), das bis im Dezember Betriebsferien hat, und in das Berghaus Ricketschwändi, das vom Bürgerturnverein Luzern betrieben wird und nur am Wochenende offen hat. An der Wanderwegkreuzung entdeckte ich schliesslich eine Hinweistafel auf das Berghaus Dorschnei (6), das einen guten Kilometer weiter weg liegt. Gewitzigt durch die bisherigen Erfahrungen, erkundigte ich mich zuerst per Handy, ob es tatsächlich auch offen ist. Mit etwas Glück konnte ich sogar einen Sitzplatz ergattern. Ich war gerettet!

Metzgete auf Dorschnei

Meine Rettung: Die Bergbeiz auf Dorschnei.

Die Gaststube im Dorschnei war platschvoll, nicht etwa, weil alle anderen Beizen zu hatten, sondern weil Metzgete angesagt war. Für mich gabs Blut- und Leberwurst mit Peterlikartoffeln und Sauerkraut und dazu einen sauren Most. Ganz und gar nicht nach Plan, aber tipptopp. Mit der Sonnenterrasse war leider auch nix, denn Dorschnei ist zu dieser Jahreszeit auch mittags im Schatten — „überschiinig“, wie wir sagen.

Abstieg

Auf Empfehlung der Renterinnen und Rentner an meinem Tisch im Restaurant Dorschnei nahm ich das Strässchen durch das Renggtal (7) bis nach Obernau. Es handelt sich dabei grösstenteils um eine Naturstrasse, die sich mit stetigem Gefälle talwärts windet. Damit hatte sich auch mein zweites Problem — die zuhause gelassenen Wanderstöcke — in Luft aufgelöst. Darüber hinaus erwies sich das Renggtal, das auch ein Mountainbikerparadies ist, als reizvoller als ich je gedacht hätte: Der wilde Bach, der in der Höll wahrscheinlich schon einige Verwüstungen verursacht hatte, ist mit Verbauungen gezähmt worden.

Bergrennen

Kaum zu glauben, aber in den 20er und 60er Jahren fanden auf dieser schmalen Strasse Autorennen statt.

Durch die Planänderung kam ich unverhofft auch an die Eigenthalstrasse (8), die von Kriens in ein abgelegenes, aber keinesfalls einsames Tal führt, das für die LuzernerInnen ein mit dem Postauto einfach zu erreichendes Naherholungsgebiet und Ausflugsziel darstellt (vgl. mein Eintrag Sonniges Regenflüeli). Bis vor kurzem wusste ich nicht, dass auf dieser kurvigen Strasse insgesamt sieben Autorennen durchführt wurden: Erstmals fand das Eigenthaler Bergrennen „1923 als Sektionsrennen des ACS statt. Der Sieger der «Bergprüfungsfahrt» mit einem Teilnehmerfeld von 22 Startenden hiess Eduard Koch, der seinen Fiat in 8 Minuten und 45 Sekunden vom Obernau ins Eigenthal jagte. Weitere Durchführungen des Rennens folgten in den Jahren 1928, 1929 und 1931 sowie 1964, 1966 und 1968. Das grösste Teilnehmerfeld erreichte das «nationale Rennen mit internationaler Beteiligung» bei seiner letzten Durchführung mit 237 gemeldeten Fahrzeugen.“ Dieses Zitat stammt vom Flyer zur kleinen, aber feinen Ausstellung Das Bergrennen Kriens-Eigenthal — Heulende Boliden im stillen Gelände, die noch bis am 3. März 2019 im Krienser Museum im Bellpark zu sehen ist.

Die Brücke

An den ersten vier Bergrennen (1923 – 1931) rasten die Rennboliden noch durch die historische Hergiswaldbrücke, die 1791 vom Luzerner Zimmermeister Josef Ritter erbaut wurde. Sie ist die älteste erhaltene Holzbogenbrücke der Schweiz. Es ist noch nicht lange her, dass sich auch das Postauto noch durch die schmale gedeckte Holzbrücke zwängte (vgl. Foto von W. Minder). 2012 wurde neben der alten Brücke eine neue Brücke fertiggestellt, die — quasi als Hommage an die historische Holzbogenkonstruktion — ebenfalls von einem Holzbogen, allerdings einem sogenannten Unterbogen, getragen wird. Heute ist die alterwürdige Hergiswaldbrücke renoviert und vom Verkehr befreit.

Fazit

Die Wanderung auf die Krienseregg ist anders herausgekommen als geplant, hat sich aber trotz mangelhafter Vorbereitung und einigen Irrwegen als schöne, abwechslungsreiche und interessante Herbstwanderung herausgestellt. Das Berghaus Dorschnei wird auf die Liste lohnenswerter Wanderziele aufgenommen, auch wenn da nicht immer Metzgete angesagt ist und dem Hörensagen nach ein Wirtewechsel bevorsteht. Empfehlenswert ist auch die Ausstellung über Das Bergrennen Kriens – Eigenthal im Krienser Museum im Bellpark.

Das Berghaus Dorschnei
auf der Kulturflaneur-Karte