Seit über zehn Jahren blogge ich nun über Themen, die mich interessieren. Fast ebenso lang beschäftige ich mich mit Steuerparadiesen, dem Steuerwettbewerb zwischen Ländern, Kantonen und Gemeinden sowie den fatalen Folgen dieses Race-to-the-bottom. Lange tat sich gar nichts, doch jetzt kommt ordentlich Zug in den Kamin: Diese Woche kündigte US-Finanz­ministerin Janet Yellen an, die USA wollen sich in der OECD dafür einsetzen, dass Konzerngewinne weltweit mit mindestens 21 Prozent besteuert werden.

In seiner samstäglichen Kolumne im Online-Magazin Republik Bye-bye Steuerparadies erinnert Daniel Binswanger an das Ende des Bankgeheimnisses, das vom Sturm der Finanzkrise von 2008 so schnell weggefegt wurde, dass die offizielle Schweiz nur noch staunen konnte. Ähnlich schnell könnte es den Steuerparadiesen an den Kragen gehen, orakelt Binswanger auf der Basis geschichtlicher Parallelen. Auch wenn ein Minimalsteuersatz von 21% wahrscheinlich nicht konsensfähig sei, würden die globalen Gewinnsteuern in Zukunft deutlich über den 12% liegen, über die in der OECD zuletzt verhandelt wurde. Der Klimawandel bei den Unternehmenssteuern wird für steigende Pegelstände sorgen, so dass die Tiefsteuerinseln bald untergehen werden.

Steuerwettbewerb in der Zentralschweiz (2011) und wie sich die in Luzern geplanten Steuersenkungen auswirken. Finanz & Wirtschaft Kanton Luzern, 2. Dezember 2008 (PDF)

Teure Tiefsteuerstrategie

Stop the race to the bottom forderte ich im Beitrag vom 21.1.2012, als klar wurde, dass der Kanton Luzern die Unternehmenssteuern senkt, was nicht nur den Steuerwettbewerb anheizt, sondern zuerst einmal zu Einnahmeausfällen führt, die durch Einsparungen wieder wettgemacht werden müssen. Die Steuergeschenke an die Unternehmen hatten denn auch eine Reihe von Sparpaketen zur Folge — der Kanton Luzern baute Leistungen ab und sparte auf dem Buckel seiner BewohnerInnen. Das Rennen um die tiefsten Unternehmenssteuern endet auf dem Boden eines kaputtgesparten Staats.

Der Steuerwettbewerb zwischen den Gemeinden führt zu grossen Unterschieden bei den Gemeinde-Steuerfüssen: 2014 lagen die Steuerfüsse zwischen 0.978 Einheiten in Meggen und 2.4 Einheiten in Gemeinden mit Maximalsteuerfuss. Quelle: LUSTAT (zum Vergrössern anklicken)

Steuerwettbewerb auf allen Ebenen

Die Karte mit den Steuerfüssen der Luzerner Gemeinden, die ich 2015 zum Stichwort Mildes Steuerklima publiziert habe, zeigt nicht nur, dass ein mildes Klima am See oft auch mit einem milden Steuerklima einhergeht — von den 7 Gemeinden mit einem Gemeinde-Steuerfuss von unter 1.6 Einheiten sind 2 am Sempachersee und 4 am Vierwaldstättersee. Nur Eschenbach liegt nicht an einem See. Sie ist auch Ausdruck des Steuerwettbewerbs auf Gemeindeebene, der dazu führt, dass SteuerzahlerInnen in Gemeinde mit dem Maximalsteuerfuss von 2.4 Einheiten zweieinhalb mal soviel Gemeindesteuern bezahlen müssen wie MeggerInnen, wo viele Reiche für ein mildes Steuerklima und einen mit 0.978 Einheiten rekordtiefen Steuerfuss sorgen. Es ist ja nicht so, dass die BewohnerInnen von Gemeinden mit tiefen Steuererträgen und hohen Steuern mehr staatliche Leistungen erhalten als die BewohnerInnen der Steuerparadiese mit mildem Steuerklima.

Demo gegen die Pauschalbesteuerung: Bürgermeister Niggi Scherr eröffnet – frei nach Dürrenmatt – die Gemeindeversammlung von Güllen-Vitznau vor dem Park-Hotel von Pühringer. Quelle: www.pauschalsteuer-abschaffen.ch

Pühringers Pauschalbesteuerung

Auch auf der nächsten Etappe meiner Vierwaldstätterseeumwanderung waren Steuerthemen die Stichwortlieferanten: Zuerst Multimillionär Pühringer, der sich benimmt wie Dürrenmatts alte Dame, sich ein Dorf kauft und sich so ein mildes Steuerklima verschafft. Inzwischen ist aber auch die Regentschaft von Vitznaus neuem Dorfkönig an Grenzen gestossen (vgl. Kommentar / Update). Zum Stichwort Pauschalbesteuerung: Die Volksinitiative «Schluss mit den Steuerprivilegien für Millionäre», verlangte die Abschaffung der ungerechten Pauschalbesteuerung für ausländische Milliardäre und Multimillionäre — auch eine Form unfairen Steuerwettbewerbs. Im Rahmen der Abstimmungskampagne wurde Peter Pühringer als Pauschalsteuer-Profiteur mit einem „Bonze-Bsüechli“ beehrt. Die Abstimmung am 30. November 2014 erzielte dann aber mit 40.8% Ja leider nur einen Achtungserfolg.

Im Londoner Presseclub Frontline übergibt Offshore-Insider Rudolf Elmer Daten-CDs an Julian Assange von Wikileaks. (Promobild von Dschoint Ventschr)

Offshore-Steuerparadies

Mein ausführlicher TV-Tipp vom 20.1.2019 verweist auf Werner „Swiss“ Schweizers Dokumentarfilm Offshore – Elmer und das Bankgeheimnis über den Whistleblower Rudolf Elmer, der im SRF gezeigt wurde. Er handelt vom Offshore-Steuerparadies Cayman Islands, von den Offshore-Geschäften der Zürcher Privatbank Julius Bär, vom Untergang des Schweizer Bankgeheimnisses sowie von einer Justiz, die einen Robin Hood überhart anfasst.

«Luzern der Film — Kopf oder Zahl» heisst der sehenswerte Dokumentarfilm über die Steuerstrategie des Kantons Luzern

Dokumentarfilm über Luzerns Steuerstrategie

Bis zur Premiere des von mir via Crowdfunding mitfinanzierten Dokumentarfilms «Kopf oder Zahl – Luzern der Film» von Reinhard Manz (point de vue) hätte ich nicht gedacht, dass ein Film über Luzerns Steuerstrategie halbwegs interessant sein könnte. In meinem Filmtipp Kopf oder Zahl — letzte Chance! schrieb ich, dass der Film das Thema sachlich und mehr oder weniger neutral angeht und alle Seiten zu Wort kommen lässt, denn das Ziel des Dokumentarfilms sei nicht eine Polemik gegen das unethische Sparen im Kanton Luzern, sondern eine Grundlage für eine fundiertere Diskussion über die Steuerstrategie des Kantons Luzern zu liefern. Das ist dem Film gelungen, mir jedoch ist er zu brav geraten, er könnte die Folgen des unethischen Sparens ruhig ein bisschen drastischer darstellen. Hier ist der Film (Dok 2019, 83 Min., Schweizerdeutsch mit deutschen Untertiteln) in ganzer Länge nachzusehen.

„Die 7. Kavallerie im Fort Yuma, die man auch ausreiten lassen kann. Aber die muss man nicht unbedingt ausreiten lassen. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt, und wenn das alleine schon Nervosität hervorruft, ja dann kommt da ja richtig Zug in den Kamin.“
PEER STEINBRÜCK, BRD-FINANZMINISTER 2005-2009

Mit diesem Wildwest-Vergleich*) stiess „Peitschen-Peer“ in der Schweiz nicht auf Gegenliebe, denn gemäss Wikipedia verglich er die Schweizer mit einem Indianervolk, und die Drohung, die Schweiz auf die schwarze Liste der OECD zu setzen, um sie als Steueroase an den Pranger zu stellen, mit der „7. Kavallerie [von General Custer] vor Yuma, die man [dort] ausreiten lassen kann.“ Auch ich mag diese Wildwest-Rhetorik nicht besonders, aber in Sachen Bankgeheimnis und Steuerhinterziehung hatte er Recht.

Wenn ich meinen Lieblingskolumnisten Binswanger richtig verstehe, ist Janet Yellen die nächste, die nicht nur der Schweiz, sondern allen Indianervölkern, die Steueroasen betreiben, mit der 7. Kavallerie im Fort Yuma droht. Und ich freue mich, wenn da richtig Zug in den Kamin kommt.

*) Ausgangszitat für ein Telefon-Interview mit dem nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans im Deutschlandfunk am 3.4.2012, in dem es um Steuerhinterziehung, das Bankgeheimnis und den Kauf von Daten-CDs ging.