Diese Wanderung hatten Frau Frogg und ich schon lange auf unserer Wunschliste: über die Silberen, ein Karstgebiet beim Pragelpass zwischen dem Schwyzer Muotatal und dem Glarner Klöntal.
Abenteuerlich war schon die Anreise: Wir fuhren am Vortag ins Muotatal — bekannt für seine Wetterschmöcker, den Witz-Wander-Weg und das Höllloch — und übernachteten im Hotel Alpenblick. Von da wollten wir am Pfingstsonntag per Rufbus oder Taxi auf den Pragelpass, dem Ausgangspunkt unserer Rundwanderung. Doch der Pragelbus ist nie über den Testbetrieb hinausgekommen und musste am 11.10.2009 den Betrieb einstellen. Und der Muotathaler Garagist, der auch Taxifahrten anbietet, war telefonisch nicht zu erreichen. So blieb uns nichts anderes übrig, als Autostopp zu machen.
1 Auch Suworow war auf dem Pragelpass
Wenn 1799 der Feldzug der russischen Truppen unter Alexander Wassiljewitsch Suworow gegen die Franzosen nicht so verlustreich gewesen wären, könnte der Russe mit der Via Suworow durchaus als Erfinder des Wanderlands Schweiz gelten: Von Milano aus mit 25’000 Mann gestartet, befreite Suworow den Gotthard von den Franzosen, führte seine Soldaten über den Kinzigpass und den Pragelpass ins Glarnerland, von wo er vergeblich versuchte, an den Walensee vorzustossen. Auf der Flucht vor den Franzosen überquerte er mit seinen Truppen den bereits verschneiten Panixerpass, zog weiter nach Chur und floh über St. Luzisteig nach Österreich. Seine Armee war um 10’000 Mann dezimiert und sein Feldzug blieb militärisch und politisch ohne Folgen.
Unsere Wanderroute über die Silberen:
2 Der grösste Urwald der Alpen
Der Bödmerenwald sei mit 600 Hektaren der grösste Urwald der Alpen, schreibt der Tages-Anzeiger. Ob das tatsächlich stimmt, weiss ich nicht, aber das urwüchsige Fichtenmeer mit seinen bis zu 450-jährigen Bäumen zu unseren Füssen ist schon eindrücklich:
3 Verloren im Nebel
Auf den einschlägigen Internetseiten wird einem dringend davon abgeraten, bei Nebel über die Silberen zu gehen. Auch Leute mit sehr guten Ortskenntnissen hätten sich schon gottlos verlaufen. Wenn es auch noch nass ist, seien die Kalkplatten zudem auch noch glitschig und rutschig. Und was machen wir? Wir gehen bei nebligem Wetter über die Silberen. Zum Glück ist der Weg ausgezeichnet markiert — es wundert einem, dass die rot-weiss-roten Wegmarkierungen nicht noch zu einer durchgehenden Linie verbunden wurden…
4 Silberenalp und Dräckloch
Dass gut und bös nahe bei einander sind, zeigen die Ortsnamen hier in der Gegend. Gar nicht sicher ist hingegen, dass die Silberenalp ertragreicher ist als die Alp im Dräckloch.
5 Der Glärnisch zeigt sich doch noch
Etwa eine halbe Stunde unter dem obersten Punkt rissen die Wolken auf und für einen kurzen Moment war der Glärnisch zu sehen:
6 Das obligate Panorama entfällt
Dieses von Frau Frogg aufgenommene Bild zeigt, warum in diesem Wanderbericht das obligate Panorama fehlt — schade, denn von hier könnte man bei sichtigem Wetter auch den Pilatus sehen.
Eine ganz andere Sichtweise auf unsere Wanderung vermittelt übrigens Frau Frogg’s Bericht über unseren Höllentrip ins Muototal — unbedingt ebenfalls lesen, geht es doch in ihrem Eintrag mehr ums interessante Drum und Dran!
7 Was verbindet die Silberen mit Guilin und den Plitwitzer Seen?
Es sind alles Karstlandschaften. Karst ist — verkürzt gesagt — vom Wasser zerfressener Kalk. Dass Kalk wasserlöslich ist, hat mitunter die strangesten Landschaften dieser Welt hervorgebracht: unglaublich vielfältige Landschaften, die mich immer wieder zu faszinieren vermögen:
8 La vie en gris
Dass ich dieses Farbbild in ein Graustufenbild umgewandelt habe, hat das Bild kaum verändert — grau war’s schon davor:
9 Das Ende der Wanderung in Sichtweite
Nach einer Krete hinter der Alp Butzen war das Ende unserer Rundwanderung in Sichtweite, doch vom Pragelpass trennte uns noch ein steiler Abstieg von etwa 200 Höhenmetern.
Nach 5.5 bis 6 Stunden reiner Wanderzeit hatten wir genug. Zum Glück war der Heimweg easy: Schon auf den letzten Metern des Abstiegs hat Frau Frogg zwei Frauen angesprochen, die auf der gleichen Rundwanderung unterwegs waren. Netterweise nahmen sie uns in ihrem Auto mit zur öV-Endstation Höllloch, wo wir den abfahrenden Bus gerade noch aufhalten konnten.
13. Juni 2011 um 19:00 Uhr
Da wusstet ihr am Abend sicher auch, was ihr geleistet hattet! Schöne Steinbilder hast du gemacht. Ich fand damals, dass die Kalkfelsen teilweise wie Schlangenhaut aussahen.
Dass die Wegmarkierungen auf der Silberen nicht zu einer Linie verbunden sind, kann ich bestätigen:
14. Juni 2011 um 8:50 Uhr
REPLY:
Ja, manchmal hat das wasserzerfressene Kalkgestein etwas Tierisches, Skeletthaftes. Und manchmal wirkt es irgendwie plastisch und erinnert an Gletscher mit Spalten…
15. Juni 2011 um 12:21 Uhr
Nach anderer Quelle wäre der Bödmerenwald mit 450 Hektar Fläche an Primärwald der zweitgrößte Urwald im Alpenraum, der größte wäre demnach der Rothwald in den niederösterrischen Kalkalpen mit 500 Hektar. (Macht aber nix, ist ja flächenmäßig eh kein großer Unterschied.) (Dafür liegen die Österreicher beim Fußball ziemlich weit hinter den Schweizern 😉
15. Juni 2011 um 15:15 Uhr
REPLY:
Von solchen Vergleichen halte ich eigentlich wenig und ich habe mir schon gedacht, dass der Titel „Grösster Urwald der Alpen“ vielleicht nicht zutrifft — egal, im Vergleich mit aussereuropäischen Waldgebieten ist der Bödmerenwald eh nur ein Miniatur-Urwäldchen. Auch in einem anderen Bereich ist das Muotatal „Weltklasse“, landet aber europaweit nur auf dem undankbaren zweiten Platz: Das Hölloch (unter dem Bödmerenwald) ist mit 198 km Länge europaweit das zweitgrösste und weltweit das siebtgrösste Höhlensystem — und würde, wenn es eine begehbare Verbindung zum Silberensystem (38 km) gäbe, mit einem Schlag zur grössten Höhle Europas, was allerdings im Moment nicht absehbar ist. In der Weltrangliste der grössten Höhlen würde das Hölloch auf Platz 3 vorstossen und mit Roger Federer gleichziehen. Auch nur noch von theoretischer Natur ist die Chance, dass sich unsere Fussballer für die EM qualifizieren. Sie sind also auch kein Trost für diesen Urwald- und Höhlenfrust…
;-))