Ein Woche vor der Abstimmmung über die Waffenschutzinitiative treibt die Emotionalisierung der Debatte ihrem Höhepunkt entgegen. Mit immer krasseren Bildern wird für ein Ja oder ein Nein geworben. Beide Seiten spannen Kinder für ihre Kampagne ein — und werfen sich das gegenseitig vor. Doch Politwerbung hat schon immer mit Bildern für Emotionen gesorgt. Da ist nichts Schlimmes dabei. Schlimm ist nur, wenn der Bilderstreit von der eigentlichen Debatte ablenkt.
Stein des Anstosses ist dieses Bild eines Buben, der sich an einer Kunstaktion in Frankfurt eine Pistole aus Wassereis in den Mund hält. Mit einem Bildausschnitt sowie einem Zitat der bischöflichen Kommission „Justitia et Pax“ wurde im Luzerner Pfarreiblatt für die Initative zum Schutz vor Waffengewalt geworben. Das Bild löste eine Welle der Empörung aus: „Horrorbild“, „abscheulich“ und „Pfui!“, hiess es in den Leserbriefspalten unserer Zeitung. Die Empörung ist so gross, dass sich der Pfarreiblatt-Redaktor entschuldigen musste.
Zugegeben, das Bild schockiert. Aber offensichtlich darf ein Pfarreiblatt nicht mit einem solchen Bild für ein christliches Anliegen werben. Und ausgerechnet drei CVP-PolitikerInnen, die für christliche Werte einstehen sollten, haben beim Schweizerischen Presserat Beschwerde eingereicht:
- Ida Glanzmann, die auf ihrem Blog unter dem Titel „Teddybären bluten nicht!“ gegen die Inititative argumentiert.
- Pius Segmüller, der sich als ehemaliger Kommandant der Schweizer Garde in Rom, als Geschäftsführer der Sicherheitsfirma Swissec AG, als Nationalrat und Mitglied der Sicherheitskommission für den sofortigen Kauf neuer Kampfjets einsetzt.
- Ruedi Lustenberger, der im Nationalrat für neue AKWs und als aktiver Jäger gegen den Wolf kämpft.
Ich frage mich ernsthaft, wie diese drei PolitikerInnen ihren engagierten Kampf gegen die Waffenschutzinitiative mit dem C im Parteinamen in Einklang bringen können — für mich sind sie einfach nur unglaubwürdig und scheinheilig.
4. Februar 2011 um 19:35 Uhr
Es scheint, dass ich Dir…
…das Wesen des innerschweizerischen Katholizismus erklären muss, Herr T.!
Wichtig: Der innerschweizerische Katholizismus ist von zentralen christlichen Werten wie Nächstenliebe und Gewaltlosigkeit weit gehend unbeleckt. Er dreht sich um Überreste heidnischer Vorstellungen („Arme Seelen“), Symbole, die ein vages Wir-Gefühl vermitteln (Kruzifix) und – sehr wichtig: Um Reste des politischen Konvervatismus, der diese Gegend seit dem Sonderbundskrieg prägt. Früher war der zentrale Glaubensinhalt des innerschweizerischen Katholizismus jener an den Teufel und die Hölle. Aber für das 21. Jahrhundert ist das zu unbequem geworden. Ein wegen der Moderne völlig ratloser Klerus versucht den wenigen, die die Kirche überhaupt noch besuchen, christliche Werte einzureden. Natürlich erfolglos.
Die oben genannten Werte und die eigene Gesellschaft sieht man ständig bedroht (früher durch Reformierte, heute durch Fremde). Man ist bereit, sie notfalls mit Waffengewalt zu verteidigen (wie der Fall Triengen zeigt).
Die CVP bewirtschaftet dieses geistige Klima seit Jahrzehnten sehr erfolgreich und mit dem nötigen Machtbewusstsein (jemand hat einmal geschrieben: Wäre Macchiavelli heute ein Schweizer, so träte er der CVP bei“). In den letzten Jahrzehnten zeigte die CVP sogar Ansätze zur Modernität. Allerdings ist sie unter dem Druck der SVP dabei, wieder zurück ins Kulturkampf-Zeitalter zu regredieren.
5. Februar 2011 um 2:17 Uhr
Der Waffenlobbyist
Wer ein bisschen genauer wissen will, wie die Waffenlobby in der Schweiz funktioniert und welche Rolle Pius Segmüller dabei spielt, liest in der politisch unverdächtigen Handelszeitung den Artikel Geheimprotokoll des Gardisten von Synes Ernst (vormals LNN). Der Text tönt ein bisschen wie Verschwörungstheorie, leuchtet aber gut recherchiert die Abgründe der Waffenlobby aus.