Letzte Woche ist die Voto-Studie zur Abstimmung vom 4. März über die No-Billag-Initiative herausgekommen, die das Abstimmungsverhalten verschiedener Bevölkerungsgruppen analysiert und interessante Erkenntnisse liefert — ein Grund für mich, meine angefangene Analyse abzuschliessen und doch noch ins Netz zu stellen.
Vor der Abstimmung habe ich mich für ein NEIN zum Sendeschluss! eingesetzt, entsprechend erleichtert war ich über das Resultat: 71.6% NEIN zur No-Billag-Initiative — wenn das kein Klatsche ist! Die Radio- und Fernsehgebühren abzuschaffen, war eine radikale Bieridee einiger libertärer Eiferer, die grandios gescheitert ist. 7 zu 3 ist ein so klares Resultat, dass es nichts zu deuteln gibt und es besser wäre, wenn die BefürworterInnen von No Billag ihr Scheitern eingestehen und für längere Zeit die Klappe halten würden. Doch statt das deutliche und klare JA des Souveräns zum Service Public zur Kenntnis zu nehmen, behaupten sie immer noch, sie hätten einen Achtungserfolg erzielt und stellen neue Forderungen. Inzwischen aber ist No Billag ist kein Thema mehr und ich bin froh, dass der Säbelzahntiger und seine Kumpane endlich Sendeschluss haben.
Erste Umfragewerte Ende 2017 waren eine Überraschung: Ein Mehrheit der Befragten in der Deutschschweiz wollten der Initiative zustimmen. Das scheuchte die GegnerInnen auf. Mehrere Gegenkomittees trommelten ihre Sympathisanten zusammen und sammelten Geld. Spät, aber nicht zu spät wurden eindrückliche NEIN-Kampagnen lanciert, die ihre Wirkung nicht verfehlten, obwohl es gemäss Umfragen nur noch wenige Unentschlossene (1 – 5% der Befragten) gab — die Meinungen schienen gemacht zu sein. Doch je länger die Diskussion über No Billag lief, desto klarer wurden die Mängel und die potenziell fatalen Folgen der Initiative. Die Zustimmung sackte ab und betrug am Tag der Abstimmung nur noch 28.4%. Sogar die GSoA-Initiative, die eine heilige Kuh der Schweiz, die Armee, abschaffen wollte, brachte es 1989 mit 35.6% JA auf mehr Ja-Stimmen als No Billag, was ein Riesenerfolg war angesichts der Verlautbarungen der Armeespitze, mehr als 20% Ja wären ein ganz schlechtes Zeichen. Mit dem Erfolg der GSoA ist No Billag nicht zu vergleichen, denn im Gegensatz zur GSoA hatte No Billag lautstarke und tatkräftige Unterstützung durch die SVP, den Gewerbeverband und ultraliberale PolitikerInnen. No Billag hätte also mehr Zustimmung als die GSoA erhalten müssen. Deshalb sind nur 28.4% JA kein Achtungserfolg, sondern ein Misserfolg.
Eine Schweiz ohne Armee war 1989 undenkbar, genau so undenkbar ist heute eine Schweiz ohne eigenes Fernsehen und Radio. Aber darum ging es den No-Billag-Initianten: Sie wollten eine radikale Umgestaltung der Schweizer Medienlandschaft, die Abschaffung des Service Public und, dass alle nur noch das zahlen müssen, was sie tatsächlich konsumieren. Das war dann für 71.6% der Stimmenden doch zu radikal und es resultierte eine veritable NEIN-Klatsche und das landesweit und fast unisono:
Keine einziger Kanton, kein einziger Bezirk und nur sechs kleine Landgemeinden (Unteriberg, Vorderthal und Alpthal alle im Kanton Schwyz, Raperswilen (TG), Trasadingen (SH) sowie Zwischenbergen (VS)) haben No Billag zugestimmt, während etliche Bezirke, vor allem die romanisch sprechenden Gebiete im Bünderland, die Initiative mit über 80% NEIN abschmetterten. Es gab keinen eigentlichen Stadt-Land-Graben (Landgemeinden stimmten nur 2% mehr JA als städtische Gemeinden), auch der Röstigraben war weniger tief als auch schon: Die Differenz zwischen Deutsch- und Welschschweiz betrug 5.1 Prozentpunkte. Bemerkenswert ist einzig das Tessin, wo No Billag immerhin auf 34.5% JA kam, obwohl das Tessin am stärksten von der Umverteilung der Gebühren profitiert und jährlich 220 Millionen aus dem Billag-Topf bekommt (vgl. Grafik in NEIN zum Sendeschluss!).
Generation Netflix sagt nein
Die Balkengrafik zeigt: Je älter, je gebildeter und je höher das Einkommen, desto grösser die Beteiligung an der No-Billag-Abstimmung. Während im Durchschnitt 55% an die Urnen gingen, beteiligten sich die SVP-Anhänger nur zu 49% an der Abstimmung — eine Stimmabstinenz, die nur noch von denjenigen übertroffen wurde, die sich keiner Partei verbunden fühlen. Die roten Balken zeigen: Frauen lehnten No Billag stärker ab als Männer. Und: Je gebildeter und je höher das Einkommen, desto grösser war der Nein-Stimmenanteil. Am erstaunlichsten fand ich aber, dass nicht die Generation Netflix (20% Ja) am stärksten für No Billag votierte, sondern die 40- bis 49-Jährigen (40% Ja). Einzig die SVPler stimmten mit 54% Ja für No Billag, die Sympathisanten aller anderen Parteien lehnten die Vorlage mit 73% Nein (FDP) bis 90% Nein (Grüne) durchschnittlich bis deutlich ab.
Nein, aber
Bei Abstimmungen kann man nicht „Nein, aber“ auf den Stimmzettel schreiben, sonst wäre er ungültig. Im Fall von No Billag hiess die Frage auf dem Stimmzettel: „Wollen Sie die Volksinnitiative zur «Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren (Abschaffung der Billag-Gebühren)» annehmen?“ Und die Antwort lautet: 71.6% NEIN. Damit bleibt Artikel 93 der Bundesverfassung und der damit verbundene Verfassungsauftrag für den Service public im Schweizer Radio- und Fernsehen bestehen.
Die VOTO-Studie untersuchte auch die Wirkung der im Abstimmungskampf vorgebrachten Argumente:
Argument | einverstanden | nicht einverstanden |
weiss nicht |
„Die SRG leistet einen wichtigen Beitrag zum nationalen Zusammenhalt und zur Solidarität mit allen Sprachregionen.“ | 86% *) | 12% | 2% |
„Nur mit Billag-Gebühren gibt es in allen Landesteilen ein vielfältiges und gleichwertiges Informationsangebot.“ | 77% | 20% | 3% |
„Die Abschaffung der Billag-Gebühren führt zur Abhängigkeit von privaten Geldgebern und ausländischen Konzernen. Das gefährdet die politisch unabhängige Berichterstattung.“ | 66% | 30% | 4% |
„Ohne Billag-Gebühren müsste man unter dem Strich für ein vergleichbares Programm von privaten Anbietern viel mehr bezahlen.“ | 61% | 31% | 8% |
„Die SRG ist zu gross und zu teuer geworden. Sie soll ihr Angebot reduzieren.“ | 58% **) | 37% | 5% |
„Man soll die Bürger nicht mit einer Zwangsgebühr bevormunden, sondern sie selber entscheiden lassen, für was sie bezahlen wollen.“ | 38% | 59% | 2% |
„Die SRG kann auch ohne Billag-Gebühren weiter existieren. Für die guten Sendungen gibt es auch im freien Markt eine Nachfrage.“ | 35% | 60% | 5% |
„Das Monopol der SRG erstickt die privaten Anbieter. Die Abschaffung der Billag-Gebühren führt zu einer grösseren Medienvielfalt im freien Wettbewerb.“ | 32% | 63% | 5% |
*) Mit diesem Argument waren auch 60% der Ja-Stimmenden einverstanden. **) Von den Nein-Stimmenden stimmten 50% dieser Aussage zu, während 47% sie ablehnten. |
Zusammenfassend anerkannten die Befragten die Leistung der SRG für den Zusammenhalt des Landes. Sie waren der Meinung, dass ohne Billag-Gebühren die SRG nicht überleben könnte und dass TV und Radio in der Schweiz teurer und schlechter würden. ABER sie waren auch der Meinung, die SRG sei zu gross und zu teuer geworden und solle ihr Abgebot reduzieren. Viele hätten wohl „Nein, aber“ gestimmt.
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