Inspiriert durch einen Tagi-Artikel über Ferien in der Waadt und traumhafte Orte zwischen Alpen und Jura mit dem Titel Die Westschweiz überrascht haben wir für die diesjährigen Sommerferien eine dreiwöchige Tour de Romandie geplant. Und wir wurden nicht enttäuscht: So abwechslungsreiche Ferien haben wir schon lange nicht mehr erlebt — oder warum in die Ferne schweifen, wenn die Welt vor deiner Tür ist?

Unsere Reiseroute

Unsere Reiseroute (rot) mit Etappenzielen und Golden-Pass-Linie (gelb) sowie «Points Of Interest» (blau)

  • Tag 1: Anreise via Olten und Jurasüdfusslinie nach Yverdon-les-Bains (1). Den heftigen Gewittersturm überstehen wir im Schlossmuseum, vgl. Schloss Yverdon: Flucht vor dem Sturm von Frau Frogg.
  • Tag 2: Wir erforschen die Überreste des Canal d’Entreroches (a), wandern am Zementwerk Éclépens vorbei auf den Mormont, wo der Kalksteinabbau durch Holcim ein wüstes Loch hinterlässt (vgl. Klimaspuren #38: Hütet Euch am Mormont!), und weiter nach La Sarraz. Unser Ausflug weckt Frau Froggs Erinnerungen an einen Sprachaufenthalt in der Westschweiz. Die verkehrshistorisch interessante Geschichte des Canal d’Entreroches ist in meinem Beitrag Chargé pour Soleure nachzulesen.
  • Tag 3: Wir machen eine Zeitreise durch die Gegend von Yverdon. Sie beginnt mit den Menhiren von Glendy, die aus dem Neolithikum stammen, und endet beim Château de Grandson (b), dem Heimatschloss von Otton de Grandson (1238-1328). Der Kreuzfahrer und Vertraute von Edward I. hat das Interesse von Frau Frogg geweckt, vgl. Wiedersehen mit einem Schlossherrn und Grandson und Caernarfon: Schlösser und Schlachten.
  • Tag 4: Weiterreise ins Lavaux nach Chexbres (2). Unterwegs machen wir westlich von Lausanne Halt in Renens (c) und besichtigen den Campus der EPFL und der Uni Lausanne sowie das kreisrunde Studiwohnheim Vortex.
  • Tag 5: Wanderung durch die Rebberge nach Vevey (d). Frau Frogg ist durch das Magische Lavaux betört. Mit dem Raddampfer fahren wir an Montreux (e) vorbei zum Schloss Chillon (f), einem weiteren Savoyerschloss.
  • Tag 6: In Rivaz, unterhalb von Chexbres, baden wir im Lac Léman. Nach dem Zmittag in Vevey (d) fahren wir mit dem Bähnli auf den Hausberg von Vevey, Les Pléjades.
  • Tag 7: Weiterreise nach Sion (3), wo wir für eine Woche eine Ferienwohnung in der Altstadt gemietet haben. Die kühlende Bise hat abgestellt und Frau Frogg befürchtet wegen der Hitze des Unterwallis das Schlimmste. Aber von Sion ist sie so angetan, dass sie die Walliser Kantonshauptstadt zu ihrem Lieblingsort erklärt.
  • Tag 8: Um der Hitze des Talbodens zu entfliehen, wagen wir die abenteuerliche Postautofahrt auf der teuflischen Bergstrecke (Frogg) nach Derborence (g), machen eine Sonntagswanderung vom Lac de Derborence durch das Bergsturzgelände — der Bergsturz auf Derborence bildet die Basis von Ramuz‘ Roman — zum Stausee Lac de Godey und geniessen die Sommerfrische.
  • Tag 9: An diesem gewittrigen Tag fahren wir nach Sierre und wandern zum Château de Muzot (h) — in diesem Wohnturm aus dem 13. Jahrhundert wohnte Rainer Maria Rilke von 1921 bis zu seinem Tod 1926. Er war zeitlebens ein rastloser Geist, hier fand er endlich Ruhe zum Arbeiten. Im Beitrag Der Rilke-Turm bei Sierre schreibt Frau Frogg über unseren Ausflug zu Rilkes Turm.
    Am 4.7.2018 waren wir schon mal in Sierre und besuchten die Ausstellung in der Fondation Rilke. Damals schrieb ich auf Instagram:


  • Tag 10 ist ganz dem Baumaterial Beton gewidmet: Wir fahren nach Hérémence (i) und besichtigen die Kirche Saint Nicolas von Walter Maria Förderer (1928-2006). Die Betonskulptur in Hérémence, die auch von innen eindrücklich ist, ist quasi die kleine Schwester der Grande Dixence (k), des weltweit höchsten Gewichtsstaudamms weiter hinten im Tal.*)
  • Tag 11: Wir begeben wir uns wieder auf die Spuren von Otto de Grandson (1238-1328) und fahren nach Aigle (l), wo er 90jährig verstarb. Auch das Schloss von Aigle ist ein Beispiel savoyscher Burgenbaukunst, ausserdem beherbergt es das Weinbaumuseum der Waadt und präsentiert Werke des Waadtländer Cartoonisten, Zeichner und Maler Géa Augsbourg (1902-1974) — ein tolle Entdeckung!
    Auf dem Rückweg von Aigle machen wir Halt in Saint-Maurice (k) und besichtigen die Basilika der Abtei**) sowie die Grottes aux fées, eine unterirdische Halle mit Wasserfall und See, wo es zudem mit 10 Grad schön kühl ist. Schliesslich verengt sich unterhalb von Saint-Maurice das Tal — was jahrhundertelang strategisch wichtig war, wird angesichts der Drohnenkriege plötzlich bedeutungslos und lässt Frau Frogg über Festungen und Fragen sinnieren.
  • Tag 12: Wir bleiben in Sion (3) und besteigen die beiden Burghügel: Während die Burgkirche Valeria ist weitestgehend erhalten geblieben ist, sind vom ehemaligen Bischofsschloss (13. Jh.) auf dem Tourbillon nur noch Ruinen übriggeblieben.
  • Tag 13: Mit dem Funi fahren wir von Sierre (h) nach Crans-Montana (n) hoch und machen eine Rundwanderung durch den Nobelkurort. Die Wanderung auf dem Plateau von Crans-Montana führt uns zu sieben teils recht idyllischen Seen, aber auch zu nicht gerade schönen Bettenburgen. Ein Teil der Route folgt einer Bisse (frz.) oder einer Suone (walliserdeutsche Bezeichnung für hangparallele Bewässerungskanäle) — sehr schön!
  • Tag 14: Von der Ferienwohnung in Sion (3) im Valais nach ziehen wir um nach Château-d’Œx (4) im Pays- d’Enhaut. Unterwegs machen wir einen Zwischenstopp im mondänen Montreux (e), das sich aufs kommende Jazz Festival vorbereitet. Wir entfliehen dem Trubel an der Seepromenade ins alte Montreux. Der legendäre, wenn auch touristische Golden Pass Express bringt uns dann in die Waadtländer Alpen.
  • Tag 15: Schon am ersten Morgen in Château-d’Œx (4) sichten wir einen Ballon, der uns bewusst macht, dass wir die letzte Ferienwoche in der Schweizer Hauptstadt der Heissluftballons verbringen. Nach einem Dorfrundgang und einer kleinen Wanderung in der Umgebung besuchen wir am Nachmittag das Musée du Pays-d’Enhaut et le Centre Suisse du Papier Découpé — also Heimatmuseen sind sonst gar nicht mein Ding, aber dieses Museum widmet sich besonders der Scherenschnittkunst, für die das Pays-d’Enhaut bekannt ist. Sehenswert war auch die temporäre Ausstellung Regards Suisses, die Schweizer Bergmalerei präsentierte und uns gut gefiel.
  • Tag 16 verbringen wir in der Badi und geniessen das Alpenpanorama vom Sitzplatz unserer Ferienwohnung.
  • Tag 17: Mit dem Bus fahren wir nach L’Etivaz (o), das für seinen AOP-Rohmilchkäse bekannt ist, und wandern zurück nach Château-d’Œx, zuerst durch das schattige Tal der Torneresse, dann hoch über der tief eingeschnittenen Gorges du Pissot und schliesslich durch den trotz Wolken erhitzten Talkessel von Château-d’Œx.
  • Tag 18: Mit Freunden feiern wir in Château-d’Œx den Geburtstag von Frau Frogg. Am Abend zieht ein Gewitter auf, das schliesslich nur ein Gewitterli bleibt.
  • Tag 19: Von Château-d’Œx wandern wir ins benachbarte Rossinière (p), wo das 1754 erbaute Grand Chalet steht. Das grösste historische Holzhaus der Schweiz war von 1976 bis 2001 das Wohnhaus von Balthus. Allmählich merken wir, dass das ganze Dorf eine grosse Open-Air-Galerie für Kunst und Kunsthandwerk ist, weil gerade die 3. Ausgabe von «Les Artisanales de Rossinière» stattfindet.
  • Tag 20: Ausflug nach Rougemont (q). Die Kirche sieht aus wie andere reformierte Kirchen im Pays d’Enhaut, ist aber im Kern eine romanische Kirche eines ehemaligen Benediktinerklosters, das um 1080 als Ableger von Cluny entstand. Es ist das einzige Cluniazensische Kloster im Alpenraum. Mit einer schön gestalteten Architekturbroschüre Lebendige Geschichte — Das architektonische Erbe der Region Pays-d’Enhaut in der Hand besichtigen wir die schönen Holzhäuser von Rougemont, u.a. das Wohnhaus von Louis Saugy, einem berühmten Scherenschnitt-Künstler, der auch in der Bahnhof-Unterführung von Château-d’Œx als Streetart „verewigt“ ist.
  • Tag 21: Unsere Rückreise nach Luzern (5) erfolgt auf der Golden-Pass-Linie: zuerst mit der MOB via Gstaad und Zweisimmen, wo der Zug die Spur wechselt, bis nach Interlaken Ost, dann mit der Zentralbahn via Meiringen und den Brünig nach Luzern.***) Unterwegs fahren wir an unserem Fuji vorbei: Der Niesen (r) bei Spiez ist mit einer Höhe von 2362 m nicht ganz so hoch, aber fast so majestätisch wie sein grosses Vorbild in Japan (3776 m hoch, rund 9500 km oder über 15 Flugstunden weg). Der Niesen hingegen ist Closeby und auf dem Heimweg sogar klimaneutral zu besichtigen.

Frau Frogg und ich machen in Regel drei Wochen Ferien. Mal mieten wir an einem guten Ausgangspunkt eine Ferienwohnung, wie diverse Male im Tessin oder 2020 im Engadin, mal machen wir eine Rundreise, wie 2023 nach Wales und London oder letztes Jahr in Bretagne. Auch schon haben wir Konzeptferien gemacht: 2018 zum Beispiel waren wir unterwegs auf Miss Jemimas Spuren. Miss Jemima war eine 31-jährige Engländerin aus Selby in Yorkshire, die 1863 mit Thomas Cook’s allerersten Gruppenreise in die Schweiz reiste und ihre Erlebnisse in einem wunderschönen Reisetagebuch festhielt.

Dieses Jahr waren unsere Ferien eine Mischung von allem: Am Anfang eine Rundreise mit Hotelübernachtungen in Yverdon (1) und Chexbres (2), dann zwei Ferienwohnungen an guten Ausgangspunkten in Sion (3) und Château-d’Œx (4) und Konzeptferien. Nur hatte Frau Frogg, die sich für Otto von Grandson und savoyische Schlossbaukunst interessierte, ein anderes Konzept als ich. Mich interessierten historische Verkehrswege sowie das Thema Beton und später auch Holz als Baustoff. Trotz so unterschiedlichen Interessen haben wir wunderbare Ferien gemacht.
______________________________
*) Heute hat Frau Frogg in der NZZ gelesen, dass es bei der Grand Dixence Steinschläge gab und der Zugang zur grössten Staumauer Europas gesperrt ist. Nochmal Glück gehabt!
**) Die Abtei von Saint-Maurice ist seit 515 ununterbrochen ein Kloster, unrühmlich hingegen ist ihr Umgang mit Missbrauchsgeschichten: Kürzlich musste der Abt zurücktreten.
***) Diese sehr touristische Strecke Montreux – Interlaken – Luzern ist gut ausgelastet, so dass auf der MOB eine Platzreservation fast unerlässlich ist. Für den Luzern-Interlaken-Express empfehle ich Reisen und Speisen im Bistrowagen…