Urban knitting hat nun auch die Schweiz erreicht: Unter dem Motto „Wool up the city“ haben rebellische Strickerinnen und Stricker in Zürich, Lugano und Genf den öffentlichen Raum bestrickt. Auf der Facebookseite Urban Knitting CH gibt es Dutzende Fotos von dieser Strassenkunstaktion.
In meinem Beitrag Kann Stricken Kunst sein? (meinem zweitmeist gelesenen Eintrag) habe ich im Januar schon einmal über Urban Knitting geschrieben. Interessant ist jetzt, wie die Öffentlichkeit in der Schweiz auf diese hierzulande neue Streetart reagiert.
Bis jetzt hat die urbane Strickerei in der Öffentlichkeit noch keine grossen Wellen geworfen. Hauptgrund dafür ist wohl, dass Polizei und Stadtreinigung in allen drei Städten die Strickkunst binnen weniger Stunden wieder entfernt haben. Diskussionen unter den Urban Knitters hat das Materialsponsoring des Warenhaus Manor ausgelöst, das über 100 Stricksets mit Wolle und Nadeln zur Verfügung gestellt hat. Diese Unterstützung kam nicht bei allen gut an: „Missbrauch künstlerischer Strategien, um der Kommerzialisierung des öffentlichen Raums Vorschub zu leisten“ (vgl. TA vom 1.10.2011), „billige Werbung“ oder „a publicity stunt for Manor/Placette“ hiess es etwa in den Internetkommentaren.
Kritisiert wurde auch, dass die Strickkunst nicht auf die bestrickten Objekte im öffentlichen Raum massgestrickt wurden. „Standardisierte Maschinenblätze mit groben Stichen um eine Bank gewickelt?? Das ist definitiv nicht die Ursprungsidee der total kreativen Urban knitting-Community! Sorry Manor, aber da könnt ihr nicht mithalten!!“, schrieb Ronja Sakata in einem Facebook-Kommentar auf Urban Knitting CH.
„Auch wenn mit Urban Knitting nichts beschädigt wird, ist es nicht erlaubt.“ sagte der Sprecher der Zürcher Stadtpolizei zum Tagi. Entweder handle es sich um eine illegale Benutzung des öffentlichen Grunds zu Werbezwecken oder um Unfug. Die VerursacherInnen würden so oder so verzeigt. Für die Polizei ist Urban Knitting also illegale Werbung oder Unfug. Und für mich ist nicht jedes maschinengestrickte Wollenviereck, das im öffentlichen Raum platziert wird, automatisch Kunst — allenfalls ist es Teil eines Strick-Happenings.
3. Oktober 2011 um 20:07 Uhr
„Urban knitting“ per definitionem ist das auf der Ganymed-Statue ja nicht. Das ist ja bloß „Irgendeinen Schal hergenommen und irgendeiner Statue umgehängt“. Genauso könnte man der Statue eine Mütze aufsetzen und es „Urban hatting“ nennen oder ihr ein Paar alte Wollfäustlinge anziehen, und Kunst wärs deswegen auch keine. Aber wirkliches Urban knitting als Performance-Kunstform heißt Umstricken eines Objektes an Ort und Stelle.
4. Oktober 2011 um 1:35 Uhr
REPLY:
Lieber Nömix
In Bezug auf den bestrickten Ganymed kann ich Deine kritische Haltung nachvollziehen, aber es gibt in der noch kurzen Geschichte des Urban Knitting (2005 lanciert von der Texanerin Magda Sayeg) auch andere Beispiele für das Behängen von Statuen mit gestrickten Accessoires:
Slowakischer Lenin mit Handschuhen (Bild von majorbonnet im Gruppenpool Knitting Statues von Flickr) und in Zürich (Bild: Urban Knitting CH)
Richtiges oder falsches Urban Knitting?
Bestrickte Bank in Tel Aviv (Bild von serenity_now im Gruppenpool Urban Knitting von Flickr) und in Zürich (Bild: Urban Knitting CH)
Es gibt sicher subtile und weniger subtile Arten, eine Bank zu bestricken, aber richtig oder falsch gibt es beim Urban Knitting nicht, denn Urban Knitting wohl am ehesten das, was Urban Knitters machen — das wie bei der Geografie: Geografie ist das, was GeografInnen machen.
7. Oktober 2013 um 5:13 Uhr
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hallo,
jetzt weiss ich endlich, was ich mit der vielen Restewolle angange kannd/soll/darf/muss!
Super Idee!
Grüße aus Mannheim
von Gabi
26. Oktober 2013 um 10:23 Uhr
REPLY:
Wool up the city mit Restewolle! Nimmt mich Wunder, was die Mannheimer Polizei dazu sagt: Kunst, Werbung oder Unfug? In den zwei Jahren, die seit meinem Eintrag vergangen sind, habe ich in der Schweiz hie und da Urban Knitting entdecken können, das dem strengen Auge des Gesetzes entgangen ist und länger im öffentlichen Raum bestehen blieb — mancherorts hat die Polizei halt keine Zeit, sich um umstrickte Laternenpfähle und ähnliches zu kümmern. In diesem Sinne: Viel Glück mit der Restewolle!