So heisst ein Wanderbuch für 35 Lokaltermine von Jürg Frischknecht, das 1987 im Limmat Verlag erschien. Als thematisches Wanderbuch war es Vorbild für zahlreiche Wanderbücher, die heute allein für die Schweiz mehr als ein Laufmeter der entsprechenden Verkaufsregale füllen. Obwohl schon bald 25 Jahre alt, bietet es uns hin und wieder immer noch einen Anlass für eine schöne Wanderung.

Die Idee ist simpel, aber gut: Man wandert durch bedrohte Natur- und Kulturlandschaften, liest über die geplanten Projekte (Stauseen, Atom-Endlager, Autobahnen, Skizirkusse etc.), stellt sich die Eingriffe in die Landschaft vor und hilft allenfalls mit, die geplanten Projekte zu verhindern. Ein Teil der umstrittenen Projekte wurde in der Zwischenzeit realisiert, ein weiterer Teil ist am Widerstand gescheitert und ein letzter Teil ist noch immer in Diskussion und noch nicht definitiv vom Tisch. Bei diesen Projekten ist es interessant, die Diskussion von damals mit dem heutigen Stand zu vergleichen.

Einer der Lokaltermine in Frischknechts Wanderbuch beschäftigt sich mit dem Wellenberg — für die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (NAGRA) lange Zeit der favorisierte Standort für ein geologisches Tiefenlager für schwach- und mittelaktive Abfälle.

Das Bild zeigt im Vordergrund den Wellenberg, in welchem der radioaktive Güsel entsorgt werden soll, und im Hintergrund die Lücke, über die wir ins Urnerland wanderten. Quelle des Bilds: www.kernenergie.ch — eine Informationsplattform, die von der Atomlobby der drei grossen schweizerischen Stromunternehmen betrieben wird. Auf dieser Seite beschreibt swissnuclear relativ nüchtern, wie es dazu kam, dass die Genossenschaft für nukleare Entsorgung Wellenberg das Feld räumen musste.

Unser Lokaltermin fand rund 24 Jahre nach Erscheinen von Jürg Frischknechts Wanderbuch statt. Ins Tal, das den radioaktiven Güsel nicht haben will, gelangt man mit der Zentralbahn, die von Luzern über Stans nach Engelberg fährt. Für unseren Lokaltermin steigt man in Wolfenschiessen aufs Postauto nach Oberrickenbach um. Hinter dem Dorf Oberrickenbach überquert das Postauto den Haldibach und gleich unterhalb der Brücke wäre eine der Sondierbohrung der NAGRA durchgeführt worden, hätte das nicht eine Volksbewegung mit dem Slogan „Atom hiä niä“ (nidwalnerisch für: Atom hier nie) verhindert.


Auf dem Foto, das ich bei der Bergstation der Luftseilbahn Chrüzhütte aufgenommen habe, zeigt der rote Pfeil die Stelle, wo die NAGRA ihre Sondierbohrung geplant hatte.

Jürg Frischknecht schreibt, dass die Nidwaldner Regierung 1986 die NAGRA regelrecht willkommen geheissen hat: „Wo das politische Klima günstig ist, stimmt auch die Geologie“, auch wenn im benachbarten Dallenwil 1964 ein Erdbeben die Dorfkirche beschädigte…

Die Nidwaldner Regierung hat allerdings die Rechnung ohne das Volk gemacht: Das Demokratische Nidwalden initiierte das überparteiliche Komitee für eine Mitsprache des Nidwaldner Volks bei Atomanlagen (MNA). Die MNA-Initiative stiess bei Regierung und Parlament auf Ablehnung, nicht aber beim Volk, das sie an der Landsgemeinde, die es 1987 noch gab, mit grossem Mehr guthiess. Seither sagen die Nidwaldner in schöner Regelmässigkeit Nein zu den Endlagerplänen der NAGRA: 1995 zum ersten Mal, 2002 verweigerten sie der GNW die Konzession für den Bau eines Sondierstollens und diesen Februar sprachen sie sich mit 11’602 zu 2948 Stimmen klar gegen ein mögliches Tiefenlager im eigenen Kanton aus.

Die Chronologie*) von Radio DRS zur Suche nach einem Endlager zeigt: Die NAGRA, die gemäss Frischknecht zwischen 1995 und 2000 ein Endlager im Wellenberg (oder im Oberbauenstock) in Betrieb nehmen wollte, ist bestenfalls auf Feld 2 angelangt, aber von ihrem Ziel noch weit entfernt. Jetzt hofft sie auf die Inbetriebnahme eines Endlagers zwischen 2030 und 2040.

Mit dem Widerstand gegen den Wellenberg konnte sich das links-grüne Demokratische Nidwalden, das sich 2005 den Grünen angeschlossen hat, politisch etablieren: Es ist seit 1986 im Landrat vertreten und verfügte 1990 über 8 von 60 Sitzen. Zur Zeit haben die Grünen als Nachfolger des DN noch 5 Sitze. 1998 bis 2010 sass mit Leo Odermatt sogar ein DN-Vertreter in der Regierung.

Warum die Nidwaldner Regierung eigentlich hätte wissen müssen, dass gegen den Widerstand aus dem Nidwaldner Volk nicht anzukommen ist, steht in meinem nächsten Eintrag und der eigentliche Bericht über unsere Wanderung, die zu diesem Lokaltermin gehört, folgt in meinem übernächsten Eintrag.

__________________
*) Dieser Link führt ins Leere, weil genau diese Radio-Sendung nicht mehr auffindbar ist.