Sehenswürdigkeiten, die mit dem Label World Heritage sind meist eine Reise wert, denn das Auswahlverfahren ist aufwändig und streng. Die vor wenigen Tagen ins Weltkulturerbe aufgenommenen Le-Corbusier-Bauten beispielsweise haben es erst im dritten Anlauf geschafft (von 23 Bauten auf der Liste von 2008 wurden 10 gestrichen). 2000 — schon im ersten Anlauf — zum Weltkulturerbe wurden die Burgen von Bellinzona, die wir 2012 und dieses Jahr besucht haben.
An dieser Stelle kommen mehrere Nord-Süd-Routen über die Alpen zusammen und teilen sich dann wieder auf die Lago-Maggiore- und die Ceneri-Route auf — ideal um den alpenquerenden Verkehr zu kontrollieren. Schon die Römer erkannten die strategische Bedeutung dieses Orts und erbauten auf dem Felshügel von Castelgrande ein Kastell. Gemäss Wikipedia soll der Mailänder Kommissar Azzo Visconti 1475 die strategische Lage wie folgt beschrieben haben: „Dieser Platz ist Schlüssel und Tor zu Italien“ (Questa terra è pur una giave e porta de Italia). Vom 13. bis 15. Jahrhundert entstand eine Wehranlage, die die drei Burgen Castelgrande, Castello di Montebello und Castello di Sasso Corbaro sowie die Stadtmauer und die Murata umfasst und mit der das Tal komplett abgeriegelt werden konnte. Im 15. Jahrhundert wechselte die Talsperre von Bellinzona mehrmals die Besitzer und als im Jahr 1500 die Eidgenossen definitiv die Herrschaft übernahmen, hatten die Befestigungsanlagen ihre militärische Bedeutung verloren.
Bellinzona und das Castelgrande

Die Viale stazione führt vom Bahnhof in die Altstadt und endet in einem dreieckigen Platz, der pittoresken Piazza Collegiata.
Auch abgesehen von den drei Burgen ist Bellinzona sehenswert: Keine grosse, aber eine sehenswerte Altstadt mit schönen Plätzen und Bauten. Der Tessiner Kantonshauptort hat aber auch Galerien, Museen und Theater zu bieten.

Als das Teatro Sociale 1847 eröffnet wurde, zählte Bellinzona gerade mal 2000 Einwohner. In diesem Theater mit 700 Plätzen fanden klassisches Theater, Komödien, Operetten, Konzerte, Maskenbälle und Tanzfeste statt. Ab 1908 wurde es auch und ab 1951 ausschliesslich als Kinosaal verwendet. Je nach Quelle wurde das Teatro Sociale 1967 bzw. 1971 endgültig geschlossen, 1989 unter Schutz gestellt, in den Neunzigerjahren restauriert und 1997 wiedereröffnet.

… zum Castelgrande hinaufführt. Dieses Bild aus dem Innenhof zeigt, wie gross diese Burg ist. Links der schwarze, rechts der weisse Turm, der heute als Aussichtsturm dient.
Das vom 13. – 15. Jahrhundert erbaute Castelgrande ist die älteste und grösste der drei Burgen. Sie hockt wie eine Spinne im Netz der Befestigungsmauern und kontrolliert das Tessintal. Eindrücklich zeigt das Panorama von der Torre Bianca, wie strategisch optimal das Castelgrande liegt:

Das von der Torre Bianca aufgenommene Panorama beginnt links im Osten mit dem Bahnhof Bellinzona und der Viale Stazione, die zur Piazza Collegiata hinunterführt, dahinter sind auf dem grünen Hügel das Castello di Montebello und Sasso Corbaro zu sehen, im Süden öffnet sich das Tal gegen den Ceneri und den Lago Maggiore, im Westen folgt dann die Torre Nera und gleich daneben die Murata, die sich bis zum Ticino am westlichen Talrand erstreckt. Das Panorama endet mit dem Blick nach Nordosten, wo sich bei Arbedo das Tal verzweigt: links geht’s weiter nach Biasca, Gotthard und Lukmanier, und rechts ins Misox über den San Bernardino nach Chur.

Die Murata, eine zinnenbewehrte Doppelmauer mit gedecktem Gang, erstrckt sich vom Castelgrande bis an den Ticino am westlichen Talrand.

Der Blick zurück von der Murata auf die beiden Türme des Castelgrande, auf den schwarzen und den weissen Turm.
Mit diesem Blick über die Dächer von Bellinzona endete 2012 unser Ausflug ins Weltkulturerbe.
Die beiden anderen Castelli
Letztes Jahr waren wir zwar auch im Tessin in den Sommerferien, aber erst diesmal haben wir Bellinzonas Weltkulturerbe zu Ende besichtigt.
Das rautenförmige Castello di Montebello entstand im späten 13. Jahrhundert und ist heute noch eine grimmige Trutzburg, wenn auch sorgfältig restauriert.
Das Castello di Sasso Corbaro ist die kleinste und neuste der drei Burgen. 1479 – 1482 liessen die Herzöge von Milano diese Burg erbauen, um eine Lücke im Verteidigungssystem zu schliessen. Doch nicht einmal zwei Jahrzehnte später übernahmen die Eidgenossen die Herrschaft über die drei Burgen. Die Nidwaldner stationierten in ihrem „Castello di Unterwalden“ eine kleine Garnison für den Ordnungs- und Polizeidienst. Vom Castello di Sasso Corbaro habe ich gerade mal drei Bilder:

Die Osteria im Innenhof ist empfehlenswert, die Vorspeise habe ich allerdings schon angegessen, bevor es mir in den Sinn kam, sie zu fotografieren.

Dieses Bild ist eine Reminiszenz an Lang/Baumann, die die „Beautiful Tubes“ in meinem letzten Freitagstexter gestaltet haben. Dieses temporäre Werk von 2015 hiess „Comfort #13“. langbaumann.com/?project_id=351
Nach dem Pflichtprogramm für alle Tessinreisenden, den drei Weltkulturerbe-Burgen, sind wir vom Sasso Corbaro nach Bellinzona hinuntergewandert und haben weitere Sehenswürdigkeiten besichtigt, unter anderen die Beautiful Tubes von L/B. Bellinzona kann zwar nicht mit lieblichen Seepromenaden aufwarten wie andere Tessiner Städte, ist aber mit seinem etwas spröden Reiz durchaus einen Besuch wert.
⇒ Mehr über L/B auf ihrer Homepage
⇒ Homepage der Osteria Sasso Corbaro
⇒ Das Castelgrande in Bellinzona auf stories & places
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