Vorgestern haben wir einen eindrücklichen Dokumentarfilm gesehen: Zelihas Hütte von Gabriela Gyr. Es ist das einfühlsame Portrait von Zeliha Polat, einer kämpferischen Kurdin, die mit viel Mut, Leidenschaft und Ausdauer um ihre Heimat kämpft – für sich und ihr Volk. Nicht verpassen!

Vor zwanzig Jahren entschied sich Zeliha, in eine verbotene Zone in der Region Dersim (= das silberne Tor, türkisch: Tunceli = die eiserne Faust) im kurdischen Osten der Türkei zu ziehen. Auf den Grundmauern ihres Elternhauses errichtete sie, damals 42-jährig, einen Unterstand und begann im Stammesgebiet ihrer Vorfahren zu leben. Im Verlauf des 45-minütigen Dokumentarfilms erfährt man mehr von diesem bedeutungsvollen Ort und von Zelihas Grossvater Seyit Riza, der als angesehener Stammesführer 1938 sein Volk erfolglos vor Tod und Vertreibung bewahren wollte (vgl. Wikipedia über den Dersim-Aufstand). Seither wird den Nachkommen das Leben hier, in ihrer Heimat, schwer gemacht.

Seit kurzem nun überträgt das Katasteramt willkürlich ganze Landstriche an Fremde. Auch Zeliha ist davon betroffen. Als sie aber einen alten Steuerbeleg ihres Grossvaters findet, schöpft sie grosse Hoffnung, die erneut drohende Landenteignung zu verhindern. Mit der Weigerung, ihre Heimat aufzugeben, erschafft sie sich die Selbstachtung, die sie für ihr Volk, ihre Familie und für sich als Mensch und Frau immer wieder erkämpfen muss. Dabei entwickelt sich ihre selbst gebaute Hütte zur Verkörperung dieser Mission.


Der Trailer (1:51) zu Zelihas Hütte von Gabriela Gyr (Dok, 45 Min., deutsch bzw. türkisch mit UT, 2020)

Was mich beeindruckt hat, ist, dass es dem Filmteam gelingt, anhand des Schicksals einer Person das grosse Ganze aufzuzeigen und einem näher zu bringen: eine lange Geschichte der Unterdrückung und Vertreibung der alevitischen Kurden. 1937/38 kam es gar zu einem grausamen Massaker: Kemal Atatürk, der als Schöpfer der modernen Republik Türkei gilt, liess Aleviten massenhaft ermorden. Offiziell brachte das türkische Militär 13’000 Dersimer um, Schätzungen gehen von aber über 50’000 Ermordeten aus (vgl. Das vergessene Massaker, Beitrag in NDR-Sendung ttt vom 1.12.2019). Umso mutiger erscheint Zelihas leidenschaftlicher und hartnäckiger Widerstand gegen die Vertreibung von ihrem Land.

Jetzt im Kino!

Flyer zu «Zelihas Hütte»

Zur Zeit ist «Zelihas Hütte» in Luzern, Zürich und Basel zu sehen. Auf die vier verbleibenden Vorführungen folgt jeweils anschliessend eine Diskussion mit Regisseurin Gabriela Gyr, Produzent Andreas Stäuble und dem UNO-Korrespondenten Andreas Zumach, die ich überaus interessant fand. Mehr Informationen zum Film und die Vorführungsdaten gibt es auf www.zelihashuette.com.

Luzerner Zeitung vom 23.10.2020:
Zelihas Hütte als Symbol des Widerstands
 
ttt-Beitrag im Ersten — bis 1.12.2020 verfügbar:
Wie Kemal Atatürk Alviten ermorden liess
 
Das Denkmal für Seyit Riza in Tunceli
auf der Kulturflaneur-Karte