Den Ausflug auf den Hausberg von Locarno, die Cardada und die Cimetta, haben wir uns für einen schönen Tag aufgespart. Und das hat sich gelohnt, kann man doch von einem Punkt aus den höchsten und den tiefsten Punkt der Schweiz sehen. In diesem Eintrag geht es ausserdem um Seilbahnarchitektur, die Tessiner Flora, Legoberge und Mosto Amaro.
Im Zentrum dieses Eintrags steht jedoch der fantastische Rundblick — im Bild oben von der Cimetta (1671 m.ü.M.): Der Blick geht dem Lago Maggiore entlang bis weit nach Italien, gut zu sehen auch das Maggiadelta mit Locarno und Ascona sowie die Isole di Brissago. Während Locarno grösstenteils von der Panoramatafel verdeckt wird, ist im Mittelgrund über deren rechten Ecke ein bewaldeter „Gupf“ auszumachen, die Cardada (1332 m.ü.M.). Dort ist die Bergstation der Luftseilbahn Orselina – Cardada. Mit etwas gutem Willen ist auf diesem verkleinerten Bild neben der Panoramatafel auch der Sessellift zu erkennen, der einem einen stündigen Aufstieg auf die Cimetta erspart.
Unsere Wanderroute auf dem Ansichtsplan der Cardada Impianti Turistici:
1. Hochparterre-taugliche Seilbahnarchitektur
Als die Luftseilbahn auf die Cardada erneuert werden musste, wurde fürs Design der Tessiner Stararchitekt Mario Botta engagiert. Statt einer 0815-Seilbahn ab der Stange, sollte Bottas Architektur mithelfen, die Fahrt auf Locarnos Hausberg als Erlebnis zu verkaufen.
Im Artikel Ruhe am Berg*) über die Gestaltung von Seilbahnstationen im Heft Nr. 10/2010 der Architekturzeitschrift Hochparterre beklagt sich der Autor Marco Guetg darüber, dass bei Seilbahnen gute Architektur nur eine kleine Rolle spielt. Die Bahn auf die Cardada sei eines der wenigen positiven Beispiele:
„Im Tessin setze Mario Botta 2000 mit den Stationsgebäuden der Seilbahn von Locarna über Orselina hinauf nach Cardada in urbaner Umgebung ein Zeichen — ein Botta-Zeichen. Die Talstation entwarf er in Form einer Laterne, die Bergstation gleicht einem Radarschirm. Die Kabine sieht auch wie eine Laterne aus. Alle vier Seiten sind aus Glas, nichts verstellt die Sicht auf die Brissago-Inseln und das Maggia-Delta. Der Botta-Entwurf verlangt einen tiefen Seufzer. Damit er gebaut werden konnte, musste die Talstation von Peppo Brivio abgerissen werden. Ein wichtiges Zeugnis der Tessiner Architektur verschwand.“
Während in der Pionierphase die Bergbahnen sich auch über repräsentative Tal- und Bergstationen zu verkaufen suchten, verpassen es heute — so das das Fazit des Artikels — die meisten Seilbahnen, ihre Bahn auch über gute Architektur zu vermarkten. Stattdessen seien die meisten Bergbahnbauten reine Zweckbauten. Die Bahn auf die Cardada ist tatsächlich eine löbliche Ausnahme, allerdings musste die Bahn Bottas Architektur teuer bezahlen: Der erste Kostenvoranschlag von 20 Millionen wurde um mehr als 50% überschritten und die Finanzen der Bahn mussten aufwändig saniert werden (vgl. www.pro-orselina.ch).
Furore macht auch die Gestaltung der Aussichtsplattform auf der Cardada: Zwischen den Bäumen führt ein von Paolo Bürgi gestalteter Steg über den Abhang hinaus und inszeniert die Aussicht auf spektakuläre Art und Weise:
Spektakulär ist auch die Aussicht, die vom tiefsten bis zum höchsten Punkt der Schweiz reicht:
2. Mit der Sesselbahn auf die Cimetta
Die Sesselbahn auf die Cimetta überwindet etwa 300 Höhenmeter und ersparte uns einen stündigen Aufstieg. Von der Cimetta (1671 m.ü.M.) bietet sich der volle Rundblick:
3. Tessiner Bergflora
Nach dem Mittagessen im Restaurant neben der Bergstation wollten wir über die Bassa di Cardada auf die Alpe di Cardada absteigen, aber wegen fehlender Wanderwegmarkierung verzichteten wir darauf, denn erfahrungsgemäss wachsen im Tessin nicht unterhaltene Wanderwege rasch zu und sind oft nur noch schlecht zu finden und meist mühsam zu begehen. Aber auch der direkte Abstieg von der Cimetta erwies sich als mässig ideal, dafür sahen wir diese wunderschönen weissen Blumen und den farbenprächtigen, gelben Ginster:
4. Hoch über dem Val Resa
Vom Höhenweg über dem Val Resa, der meist im Wald verläuft, bietet sich hin und wieder ein Ausblick ins Tal und auf die Magadino-Ebene:
5. Ginstergelb und Himmelblau
Und immer wieder kontrastiert das Gelb des Ginsters mit dem Blau des Himmels:
6. Mosto amaro auf den Legobergen
Die Wanderung führt uns auf die Monti di Lego, eine Alp auf dem Bergrücken zwischen Contra und Mergoscia. Auch von hier bietet sich wieder ein toller Rundblick:
Toll ist nicht nur der Rundblick, sondern auch das Grotto auf den Monti di Lego: In der Capanna Grotto Monti di Lego könnte man auch übernachten. Werktags gibt’s Minestrone und diverse kalte Teller und am Sonntag ein richtiges Sonntagsmenu. Das Angebot ist nicht gross, aber für mich als bekennenden Mösteler hat es sogar einen Mosto amaro, einen sauren Most, auf der Getränkekarte. Grossartig!
7. Über 500 Höhenmeter vernichten
Dann wartet ein happiger Abstieg auf uns: Auf einem guten, aber steilen Zickzackweg durch den Laubwald geht es über 500 Höhenmeter runter bis zu unserer Ferienwohnung. Das geht so in die Knie, dass Frau Frogg sich wünscht, einer der Helikopter, die bei schönem Wetter ständig rumsurren, würde sie abholen.
8. Oktober 2012 um 10:42 Uhr
Das ist ein sehr schöner Beitrag! Ich weiss es besonders zu schätzen, dass unser Abstieg von Cardada noch vereweigt worden ist. Er gehört zu den schönsten Erlebnissen unserer Sommerferien. Und die Monti di Lego sind wirklich sehr idyllisch und einen Besuch wert – ein Geheimtipp, gewissermassen.
23. August 2016 um 18:06 Uhr
Hey das ist ein guter Beitrag! Ich wollte einfach nur de tiefsten Punkt der Schweiz sehen aber ich fand ihn auf der Webseite nicht!!! Trotzdem danke! 🙂
27. August 2016 um 18:47 Uhr
Danke fürs Kompliment. Der tiefste Punkt der Schweiz ist eigentlich eine Fläche: Der Seespiegel des Lago Maggiore ist mit 193 m.ü.M. am tiefsten gelegen.
8. November 2018 um 19:09 Uhr
Das war ein sehr spannender Beitrag.
Vielen Dank.
Daniel Röösli Künstler aus Luzern.