Am Aschermittwoch haben wir von zu Hause aus eine kleine Bergwanderung unternommen: Mit einer Höhe von 776 m.ü.M. ist der Krienser Sonnenberg im Vergleich mit den „richtigen“ Bergen in der Nachbarschaft zwar nur ein Hügel — dennoch gibt’s ein Ausflugsrestaurant, eine Bergbahn und Gipfelkreuz. Und für eine Flucht aus dem Nebel hat’s allemal gereicht!

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1 Nebliges Luzern

Die Sonne drückt zwar, aber von der Geissmattbrücke aus wirkt Luzern mit Reuss, Spreuerbrücke und Jesuitenkirche doch etwas schemenhaft.

2 Château Gütsch


Château Gütsch

Das 1888 erbaute Château Gütsch ist ein Schloss Neuschwanstein nachempfundenes Märchenschloss — seine jüngste Geschichte ist jedoch alles andere als märchenhaft: Seit 2003 stand das Hotel/Restaurant mit traumhafter Aussicht auf Luzern immer wieder leer. Der letzte Besitzer ging Pleite und das Château Gütsch an die UBS, die es schliesslich an den russischen Multimilliardär Alexander Lebedew verkaufte. Dieser hatte grosse Pläne, um das Château Gütsch aus seinem Dornröschenschlaf aufzuwecken, doch vorerst soll das Château Gütsch sanft renoviert und im August 2012 wieder eröffnet werden. Bis Ende Mai haucht Fritz Erni und sein Team vom Hotel Montana dem Wahrzeichen von Luzern wieder Leben ein — zur Zeit ist das Château Gütsch also gerade wieder einmal offen und man darf gespannt sein, wie sich Lebedews hochfliegende Investitionspläne weiter entwickeln…


Die Aussicht von der Plattform unterhalb des Château Gütsch auf die mittelalterliche Stadtmauer und die Altstadt von Luzern.

3 Wölfe im Gütschwald

Immer wenn ich durch den Gütschwald gehe, kommt mir folgende Geschichte in den Sinn, die mir mal jemand an einer Veranstaltung im Kulturzentrum Boa erzählt hat:

Ein esoterisch angehauchter Freak ging in den Gütschwald um zu meditieren. Als er im Lotossitz dasass und mantramässig wiederholte: „Ich bin eins mit der Natur und eins mit diesem Wald…“, kam ein Wolf, setzte sich im Lotossitz dazu und meditierte ebenfalls. Dem Freak war das verständlicherweise nicht ganz geheuer, aber er liess sich nicht irritieren und wiederholte sein Mantra: „Ich bin ein mit der Natur, eins mit diesem Wald und diesem Wolf…“. Es ging nicht lange, da kamen zwei weitere Wölfe und setzten sich zu ihnen. Der Freak liess sich nicht aus Ruhe bringen und wiederholte sein Mantra: „…bin eins mit diesem Wald und diesen Wölfen…“. Als dann noch sechs weitere Wölfe sich in ihrer Runde niederliessen, versuchte er sich mit seinem Mantra zu beruhigen: „Ich bin eins mit der Natur, eins mit diesem Wald und insbesondere mit diesen friedlichen Wölfen…“. Eine Weile sassen sie so im Kreis und meditierten. Plötzlich gaben sich die Wölfe ihre Pfoten und sagten: „En Guete mitenand!“



Im Uhrzeigersinn: Der Ort des Schreckens im Gütschwald, der noch eisbedeckte namenlose Waldweiher, die Eiszapfen am Forsthaus und unser erstes Ziel: die Ausflugsbeiz „Schwyzerhüsli“

4 Der namenlose Waldweiher

Der Weiher im Gütschwald — im Sommer ein stilles Naturidyll — war auch jetzt ganz still und mit einer dicken Eisschicht überzogen. Und weit und breit keine Warnschilder und Rettungsgeräte…

5 Mittagsrast im Schwyzerhüsli

Proviant hatten wir keinen dabei, deshalb sind wir im Schwyzerhüsli — so heisst die erstbeste „Bergbeiz“ auf dem Sonnenberg — eingekehrt und haben uns ein währschaftes Menu aus der gutbürgerlichen Küche bestellt.



Winterlandschaft beim Schwyzerhüsli und der Blick zurück ins Rontal: Hinter der Tanne ist das Kantonsspital auszumachen, irgendwo rechts davon wäre unser Wohnhaus und hinter den Bäumen im Mittelgrund kann man den Rotsee erkennen.

6 Stadtvilla auf dem Sonnenberg


Dieses Haus hat schon immer meine Neugierde geweckt: Wie ist es auf den Sonnenberg gekommen und was war seine Funktion? Frau Frogg meint, es sei eine ehemalige Stadtvilla, die Stein für Stein abgetragen und auf dem Sonnenberg wieder aufgebaut worden sei, und sie muss es wissen, ist sie doch ganz in der Nähe aufgewachsen.

7 Der alte und der neue Sonnenberg



Im Uhrzeigersinn: Das alte und das neue Hotel Sonnenberg, eine grosszügige Treppe als einziges Überbleibsel vom alten Grand Hôtel Sonnenberg und die denkmalgeschützte Sonnenbergbahn.

Zum Sonnenberg gibt es viele Geschichten: Die wichtigste ist wohl der Aufschwung und der Niedergang der touristischen Nutzung, die mit der Eröffnung eines Kurhauses im Sommer 1859 begann, mit dem Bau einer Standseilbahn auf den Sonnenberg und dem Grand Hôtel in der Belle Epoque ihren Höhepunkt und dann mit den zwei Weltkriegen einen Niedergang auf Raten erlebte. Das waren noch Zeiten, als Rundfahrtbillette Luzern – Kriens (Tram) – Sonnenberg (Standseilbahn) – Gütsch (zu Fuss) – Luzern (Standseilbahn) noch eine Renner waren. Heute zieht es die Touristen auf den gegenüber liegenden Pilatus — wenn sie eine Rundfahrt machen, dann die grosse: mit dem Schiff nach Alpnachstad, mit der Zahnradbahn auf den Pilatus und mit den Gondelbahnen runter nach Kriens und Luzern. Der Sonnenberg ist nur noch ein Ziel für Ausflüglerinnen und Wanderer, eine Naherholungszone für Krienser und Luzernerinnen.

Das alte Hotel Sonnenberg diente während des Zweiten Weltkriegs als Flüchtlingsunterkunft und danach bis 1947 als Rückwandererheim für AuslandschweizerInnen, die aus dem Ostblock vertrieben wurden. Besonders tragisch ist die Geschichte von 180 Russinnen, die vor der Versklavung durch Nazideutschland in die Schweiz geflüchtet und auf dem Sonnenberg gestrandet waren. Nach dem Krieg fühlten sie sich als Siegerinnen und hatten gleichzeitig Angst vor dem, was sie nach der Rückkehr in die Sowjetunion erwartete — zu Recht, wie sich später herausstellte, denn viele von ihnen landeten in den sibirischen Gulags von Stalin.

Nach der Schliessung 1947 verlotterte das alte Hotel Sonnenberg. 1954/55 nutzten die Luftschutztruppen die Ruine für diverse Übungen und machten sie schliesslich dem Erdboden gleich.

All diese Geschichten sind nachzulesen im Katalog zur Ausstellung „Sonnenberg — Hotel, Bahn, Flüchtlingsheim…“, die 2002 im Museum im Bellpark in Kriens gezeigt wurde.

8 Chrüzhöchi, Wolfsschlucht und Berge im Dunst


Auf jedem Schweizer Berg hat es ein Kreuz, selbstverständlich auch auf der Chrüzhöchi, mit 776 m.ü.M. der höchste Punkt unserer Wanderung. Das Bild zeigt die schöne Allee, die zum Kreuz führt — ein Erbe der touristischen Nutzung des Sonnenbergs.


Die Wolfsschlucht fünf Minuten unterhalb der Chrüzhöchi konnten wir nach dem Witz über die Wölfe im Gütschwald nicht auslassen. Und dass die Stechpalme neuerdings auch in unseren Wäldern vorkommt, ist ein Indiz für den Klimawandel.


Der Blick vom Sonnenberg auf Kriens und in die Berge der Zentralschweiz. Allerdings musste ich dieses Bild ziemlich plagen, damit die Berge im Dunst überhaupt erahnbar werden. Beim Pilatus hilft auch Bildbearbeitung nichts — er ist vom Nebel verhüllt.

Dass der Winter zumindest im Unterland bald zu Ende ist, zeigen die schneefreien Sonnenhänge und dieser angetaute Schneemann:

9 Ein letzter Blick auf Luzern


Bevor wir im Obergütsch den Bus nach Luzern hinunter besteigen, erhaschen wir noch einmal einen Blick auf die Stadt und das Seebecken. Gut zu sehen sind die luxuriösen Hotelkästen an den Quais des Vierwaldstättersees, die gleichzeitig mit der touristischen Infrastruktur auf dem Sonnenberg entstanden sind.

Das Château Gütsch
auf der Kulturflaneur-Karte