„Berge, wie Bretter vor dem Kopf“, schrieb der wortgewaltige Niklaus Meienberg über den Einfluss der Berge in Chur auf die Befindlichkeit der TalbewohnerInnen. Das Gefühl von Brettern vor dem Kopf hatte wohl auch der deutsch-österreichische Dichter Rilke 1919 im Bergell. Als er den August und September in Soglio verbrachte, schrieb er:
„Ich hatte mir auch vorgestellt, auf ein offenes Italien hinunterzuschauen; es enttäuscht mich, dass auch da noch Berge im Wege sind.“
Als wir im Rilke-Zimmer des Hotels Palazzo Salis nächtigten, waren nicht einmal die Berge zu sehen: Die Bergeller Zacken waren wolkenverhangen — wie in Watte eingepackt.
Palazzo Salis — Übernachten wie Rainer Maria Rilke
Der 1630 durch Ritter Babtista von Salis erbaute Palazzo Salis erhielt 1701 seine heutige Form, wurde 1876 zum Gasthaus umgewandelt und 1998 von ICOMOS Suisse als Historisches Hotel des Jahres ausgezeichnet.
Preisgekrönter Hotelgarten
2009 verlieh der Schweizer Heimatschutz dem historisch wertvollen Garten des Palazzo Salis den Schulthess-Gartenpreis für gartendenkmalpflegerische Erhaltungsmassnahmen und sanfte gärtnerische Erneuerungen, die sich ideal ergänzen und eine neue Harmonie schaffen würden. Diese Gartenanlage hat uns ohnehin gefallen:
Sehenswertes Dorf
Ein Rundgang durchs Dorf zeigt, dass Soglio eine Reise wert ist. Der Maler Segantini, der hier mehrmals überwintert hat, bezeichnete Soglio gar als „La soglia del paradiso“, als „Schwelle zum Paradies“. Das Dorf, abseits vom Durchgangsverkehr auf einer Sonnenterrasse gelegen, hat zwar nur 200 EinwohnerInnen, zählt aber gemäss Wikipedia fast 20’000 Logiernächte pro Jahr — wir sind also nicht die einzigen.
Bergeller Berge
Warum sich Rilke freie Sicht aufs Mittelmeer oder zumindest auf ein offenes Italien gewünscht hat, weiss ich nicht, aber ich wäre schon mit einer freien Sicht auf die Bergeller Berge zufrieden gewesen.
Schade, schade, schade…
6. November 2013 um 19:15 Uhr
auch noch den Palazzo richtig gewürdigt hast! Und mir einen Blick auf das unvernebelte Bergell schenkst 😉
7. November 2013 um 11:56 Uhr
REPLY:
So schrecklich, wie Frau Frogg das Bergell schildert, war es nun auch wieder nicht. Zugegeben: Das Wetter verhinderte den Blick auf die Berge, die wiederum Rilke daran hinderten, aufs „offene“ Italien hinunterzublicken. Aber eigentlich hatten wir noch Glück, denn trotz Wolken, die sich an den Bergen stauten und das Tal vernebelten, hat es in den zwei Tagen im Bergell kaum geregnet. Der grosse Regen kam erst am nächsten Tag, als wir mit dem Palm Express nach Lugano fuhren, der Wintereinbruch erst in der nächsten Nacht, als es in St. Moritz 44 cm und in Bivio 51 cm Schnee gab (vgl. Meteo Schweiz).
24. November 2013 um 17:36 Uhr
spießig aber nett.