„Stägeliuf stägeliab“ ist der Anfang eines schweizerdeutschen Lieds, heisst übersetzt „Treppchenauf treppchenab“ und ist das Motto der 3. Etappe unserer Vierwaldstätterseeumwanderung, die von Weggis über Vitznau nach Gersau führte. Schon die Anreise mit dem Raddampfer ist ein Erlebnis.

Etappe 3: Weggis – Vitznau – Gersau


Unsere 3. Etappe besteht aus Teilen der 2. Etappe und der 1. Etappe des Waldstätterwegs (grün). Von Weggis bis Vitznau sind es gut zwei Stunden und der Weg ist zum Teil recht stotzig — Frau Frogg hätte gerne die Wanderstöcke dabei gehabt. Von Vitznau, wo wir im Restaurant Rütli einkehrten, sind es bis Gersau noch einmal gut zwei Stunden — also insgesamt 4 bis 4.5 Stunden. Wenn man nicht weit oben drüber will, muss man ab Ortsausgang Vitznau zuerst einen halben Kilometer der Uferstrasse folgen, es gibt aber auf der Seeseite ein recht gutes Trottoir.

Stichwort 1: Pühringer
Schon auf unserer zweiten Wanderetappe sind wir in Hertenstein auf den umtriebigen Multimillionär, Investor und Hotelkönig Peter Pühringer gestossen. Gemäss Wikipedia gehört er mit einem geschätzten Vermögen von 311 Millionen Euro zu den 40 reichsten Österreichern. Auf der letztjährigen BILANZ-Liste der 300 Reichsten figuriert er mit 425 Millionen Franken auf Rang 206. In Weggis kaufte der Hotelkönig für 80 Millionen „das angestaubte Hotel Hertenstein, das er durch einen Neubau ersetzen wollte – mit zwei über fünfzig Meter hohen Hoteltürmen, mit Helikopterlandeplatz und neuer Zufahrt durch die Landschaftsschutzzone. Der Investor verfolgte seine Pläne hartnäckig. Gestoppt wurde er erst von der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission, die seine Neubauideen als ’nicht landschaftsverträglich‘ versenkte“ (WoZ Nr. 34/2014). Nach sieben gescheiterten Anläufen für ein Nobelhotel investierte Pühringer nur noch 25 Millionen in eine einfache Renovation.

Pühringers Imperium in Vitznau: Links das für 270 Millionen renovierte Vitznau Park Hotel, Pühringers „Health and Wealth Residence“. Das Luxushotel wurde 2014 von GaultMillau zum Hotel des Jahres erkoren, doch der Schein trügt: Ein Jahr nach Abschluss der teuren Renovierungsarbeiten sassen Handwerker gemäss 20 Minuten noch immer auf unbezahlten Rechnungen — zwei Betriebe gingen gar Konkurs. In der Bildmitte, rechts neben der grossen Tanne das Hotel Schiff, das ebenfalls im Besitz des 74jährigen Österreichers ist und wohl seinem nächsten Megaprojekt weichen muss, das auf der noch grünen Wiese darüber geplant ist, wegen Einsprachen derzeit aber auf Eis liegt. Nicht zum Imperium gehören die Terrassenhäuser des Luzerner Architekurbüros Romano & Christen, die bereits im Bau sind. Die 25 exklusiven Terrassenwohnungen kosten 1.6 bis 2.3 Millionen, sind aber dennoch grösstenteils schon verkauft.

Bevor Peter Pühringer von seinem Palais Hotel Coburg in Wien in seine „Health and Wealth Residence“ in Vitznau umzog, erkaufte sich der öffentlichkeitsscheue Investor in Vitznau ein mildes Steuerklima: Wie die WoZ in ihrem Artikel vom 21.8.2014 „Den Dorfarzt bezahlt er auch noch“ schreibt, schenkte er 2011 der Gemeinde Vitznau fünf Millionen Franken. Im Gegenzug sollte die kleine Gemeinde die Steuern senken. So steht es im Donationsvertrag, den Pühringer der Gemeinde präsentierte. Es ist ein bisschen wie in Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“: Schon bevor die BürgerInnen entscheiden durften, ob sie die Steuersenkung bewilligen und damit die fünf Millionen annehmen wollen, hatte der energisch auftretende Investor das Geld bereits in die Gemeindekasse überwiesen. Kein Wunder, stimmten 178 dafür und nur 20 dagegen. Selbstverständlich gehört auch Vitznaus neuer Dorfkönig zu den Profiteuren der Steuersenkung.

Diese Visualisierung der Marques Architekten zeigt Pühringers nächstes Megaprojekt: Die „Panorama Residenz Vitznau“ umfasst Villen und einen Hotelkomplex für rund 100 Millionen Franken. Doch das Projekt stösst auf Widerstand: Neben sechs Einsprachen aus Vitznau hat auch die Umweltschutzorganisation Helvetia Nostra von Franz Weber eine Einsprache eingereicht. Im März 2012 gehörte Vitznau zu den wenigen Gemeinden, die von der Zweitwohnungsinitiative betroffen sind, weil sie einen Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent aufweisen, und dennoch die Franz-Weber-Initiative angenommen haben (vgl. Urbane vs. alpine Schweiz). Mit der Einsprache will Helvetia Nostra sicherstellen, dass Pühringer keine Zweitwohnungen baut. Derzeit ist offen, wie es mit Pühringers „Panorama Residenz Vitznau“ weitergeht — sind doch auch die Verstrickungen zwischen Dorfkönig und Gemeinderat Thema gerichtlicher Auseinandersetzungen.

Stichwort 2: Pauschalbesteuerung
Pühringer hat in Vitznau nicht nur für tiefe Steuern gesorgt, er profitiert auch von der Pauschalbesteuerung: Reiche Ausländer, die nur in der Schweiz wohnen, aber keiner wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, können mit dem Steueramt einen Deal aushandeln, aufgrund dessen sie viel weniger Steuern zahlen als gleich reiche Schweizer. Voraussetzung für einen solchen Steuerdeal ist im Kanton Luzern ein steuerbares Einkommen von mindestens 600’000 Franken und ein steuerbares Vermögen von mindestens 12 Millionen. Gemäss einem Artikel des Online-Magazins zentralplus vom 1.9.2014 „wird Investor Pühringer krass zu tief besteuert“. Diese Aussage stammt von Niklaus Scherr, Deutschschweizer Koordinator der eidgenössischen Initiative zur Abschaffung der Pauschalsteuer, die am 30. November 2014 leider deutlicher als erwartet abgelehnt wurde, aber mit 40.8% Ja immerhin einen Achtungserfolg erzielte. Pühringer dürfte nicht von der Pauschalbesteuerung profitieren, residiert er doch nicht nur in seinem Vitznauer Luxushotel, sondern betätigt sich auch als Investor. Im Business-Trakt des Park Hotel Vitznau steuert er seine Pühringer-Gruppe, die ein halbes Dutzend Firmen umfasst — aber wahrscheinlich arbeitet Pühringer nicht selbst, sondern seine Millionen.

Stichwort 3: Finanzierungsanstoss
Die billigste Terrassenwohnung, die Romano & Christen in Vitznau noch im Angebot haben, ist ein 3.5-Zimmerwohnung mit einer Nutzwohnfläche von 152.8 qm und einer 55.5 qm grossen Terrasse. Die Aussicht ist so traumhaft und der Preis von CHF 1’580’000.- so schwindelerregend, dass ich mich frage: Wer kann das bezahlen — und wie lässt sich so ein „Wohntraum“ finanzieren? Offensichtlich besteht eine Nachfrage nach solch luxuriösen Eigentumswohnungen, denn von 25 Einheiten sind 18 verkauft oder zumindest reserviert. Allerdings haben auch betuchtere Leute ein Problem, wenn sie auf einen bestimmten Zeitpunkt 20% Eigenkapital aufbringen müssen. Im günstigsten Fall sind das hier in Vitznau immer noch 316’000.- Franken. Für den Fall, dass noch „Ein Stück zum Glück“ fehlt, haben sich Romano & Christen etwas einfallen lassen: Sie bieten einen Finanzierungsanstoss von bis zu 10% der Kaufsumme — bei genauerer Betrachtung ein Verkäuferdarlehen mit einer Laufzeit von 8 Jahren zu einem Zins von 3%. Damit unterlaufen sie die Bemühungen der Banken und Behörden, mit strengeren Eigenkapitalregeln eine Immobilienkrise wie in den 90er Jahren zu verhindern, kritisiert der Tages-Anzeiger vom 8.7.2014 in seinem Artikel „Mit dem Architekten-Kredit zum Hauskauf“, diese Strategie sei riskant für alle Seiten und stosse bei Fachleuten auf Kritik.

Mit dem Finanzierungsanstoss „Ein Stück zum Glück“ locken Romano & Christen potenzielle Käufer.

Stichwort 4: Freie Republik Gersau
Über dieses historische Unikum habe ich schon im Beitrag Freie Republik Gersau geschrieben, ausserdem steht da auch etwas über die Seidenindustrie und den Tourismus in Gersau, eine dubiose Wolke am Stanserhorn sowie eine Fahrt mit dem Raddampfer „Gallia“.

Fazit
Die Etappe von Weggis über Vitznau nach Gersau ist nicht nur landschaftlich abwechslungsreich, sondern hat auch viele interessante Geschichten zu bieten, historische wie aktuelle. Für mich sind Weggis und Vitznau sonst eng mit der Rigi verbunden — es war aber auch schön, die „Königin der Berge“ für einmal links liegen zu lassen und dem Vierwaldstättersee zu folgen.