„Stägeliuf stägeliab“ ist der Anfang eines schweizerdeutschen Lieds, heisst übersetzt „Treppchenauf treppchenab“ und ist das Motto der 3. Etappe unserer Vierwaldstätterseeumwanderung, die von Weggis über Vitznau nach Gersau führte. Schon die Anreise mit dem Raddampfer ist ein Erlebnis.
Etappe 3: Weggis – Vitznau – Gersau
Stichwort 1: Pühringer
Schon auf unserer zweiten Wanderetappe sind wir in Hertenstein auf den umtriebigen Multimillionär, Investor und Hotelkönig Peter Pühringer gestossen. Gemäss Wikipedia gehört er mit einem geschätzten Vermögen von 311 Millionen Euro zu den 40 reichsten Österreichern. Auf der letztjährigen BILANZ-Liste der 300 Reichsten figuriert er mit 425 Millionen Franken auf Rang 206. In Weggis kaufte der Hotelkönig für 80 Millionen „das angestaubte Hotel Hertenstein, das er durch einen Neubau ersetzen wollte – mit zwei über fünfzig Meter hohen Hoteltürmen, mit Helikopterlandeplatz und neuer Zufahrt durch die Landschaftsschutzzone. Der Investor verfolgte seine Pläne hartnäckig. Gestoppt wurde er erst von der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission, die seine Neubauideen als ’nicht landschaftsverträglich‘ versenkte“ (WoZ Nr. 34/2014). Nach sieben gescheiterten Anläufen für ein Nobelhotel investierte Pühringer nur noch 25 Millionen in eine einfache Renovation.
Bevor Peter Pühringer von seinem Palais Hotel Coburg in Wien in seine „Health and Wealth Residence“ in Vitznau umzog, erkaufte sich der öffentlichkeitsscheue Investor in Vitznau ein mildes Steuerklima: Wie die WoZ in ihrem Artikel vom 21.8.2014 „Den Dorfarzt bezahlt er auch noch“ schreibt, schenkte er 2011 der Gemeinde Vitznau fünf Millionen Franken. Im Gegenzug sollte die kleine Gemeinde die Steuern senken. So steht es im Donationsvertrag, den Pühringer der Gemeinde präsentierte. Es ist ein bisschen wie in Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“: Schon bevor die BürgerInnen entscheiden durften, ob sie die Steuersenkung bewilligen und damit die fünf Millionen annehmen wollen, hatte der energisch auftretende Investor das Geld bereits in die Gemeindekasse überwiesen. Kein Wunder, stimmten 178 dafür und nur 20 dagegen. Selbstverständlich gehört auch Vitznaus neuer Dorfkönig zu den Profiteuren der Steuersenkung.
Stichwort 2: Pauschalbesteuerung
Pühringer hat in Vitznau nicht nur für tiefe Steuern gesorgt, er profitiert auch von der Pauschalbesteuerung: Reiche Ausländer, die nur in der Schweiz wohnen, aber keiner wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, können mit dem Steueramt einen Deal aushandeln, aufgrund dessen sie viel weniger Steuern zahlen als gleich reiche Schweizer. Voraussetzung für einen solchen Steuerdeal ist im Kanton Luzern ein steuerbares Einkommen von mindestens 600’000 Franken und ein steuerbares Vermögen von mindestens 12 Millionen. Gemäss einem Artikel des Online-Magazins zentralplus vom 1.9.2014 „wird Investor Pühringer krass zu tief besteuert“. Diese Aussage stammt von Niklaus Scherr, Deutschschweizer Koordinator der eidgenössischen Initiative zur Abschaffung der Pauschalsteuer, die am 30. November 2014 leider deutlicher als erwartet abgelehnt wurde, aber mit 40.8% Ja immerhin einen Achtungserfolg erzielte. Pühringer dürfte nicht von der Pauschalbesteuerung profitieren, residiert er doch nicht nur in seinem Vitznauer Luxushotel, sondern betätigt sich auch als Investor. Im Business-Trakt des Park Hotel Vitznau steuert er seine Pühringer-Gruppe, die ein halbes Dutzend Firmen umfasst — aber wahrscheinlich arbeitet Pühringer nicht selbst, sondern seine Millionen.
Stichwort 3: Finanzierungsanstoss
Die billigste Terrassenwohnung, die Romano & Christen in Vitznau noch im Angebot haben, ist ein 3.5-Zimmerwohnung mit einer Nutzwohnfläche von 152.8 qm und einer 55.5 qm grossen Terrasse. Die Aussicht ist so traumhaft und der Preis von CHF 1’580’000.- so schwindelerregend, dass ich mich frage: Wer kann das bezahlen — und wie lässt sich so ein „Wohntraum“ finanzieren? Offensichtlich besteht eine Nachfrage nach solch luxuriösen Eigentumswohnungen, denn von 25 Einheiten sind 18 verkauft oder zumindest reserviert. Allerdings haben auch betuchtere Leute ein Problem, wenn sie auf einen bestimmten Zeitpunkt 20% Eigenkapital aufbringen müssen. Im günstigsten Fall sind das hier in Vitznau immer noch 316’000.- Franken. Für den Fall, dass noch „Ein Stück zum Glück“ fehlt, haben sich Romano & Christen etwas einfallen lassen: Sie bieten einen Finanzierungsanstoss von bis zu 10% der Kaufsumme — bei genauerer Betrachtung ein Verkäuferdarlehen mit einer Laufzeit von 8 Jahren zu einem Zins von 3%. Damit unterlaufen sie die Bemühungen der Banken und Behörden, mit strengeren Eigenkapitalregeln eine Immobilienkrise wie in den 90er Jahren zu verhindern, kritisiert der Tages-Anzeiger vom 8.7.2014 in seinem Artikel „Mit dem Architekten-Kredit zum Hauskauf“, diese Strategie sei riskant für alle Seiten und stosse bei Fachleuten auf Kritik.
Stichwort 4: Freie Republik Gersau
Über dieses historische Unikum habe ich schon im Beitrag Freie Republik Gersau geschrieben, ausserdem steht da auch etwas über die Seidenindustrie und den Tourismus in Gersau, eine dubiose Wolke am Stanserhorn sowie eine Fahrt mit dem Raddampfer „Gallia“.
Fazit
Die Etappe von Weggis über Vitznau nach Gersau ist nicht nur landschaftlich abwechslungsreich, sondern hat auch viele interessante Geschichten zu bieten, historische wie aktuelle. Für mich sind Weggis und Vitznau sonst eng mit der Rigi verbunden — es war aber auch schön, die „Königin der Berge“ für einmal links liegen zu lassen und dem Vierwaldstättersee zu folgen.
13. Mai 2016 um 16:41 Uhr
Love the photos and the map. The blog looks and feels great. Fuck the Mr. Austrian Money Bags.
15. Mai 2016 um 18:06 Uhr
Danke für die Komplimente. Und ja, wir haben in der Schweiz eine Willkommenskultur für AusländerInnen, aber nur wenn sie über ein paar Millionen verfügen, die sie für sich arbeiten lassen können.
12. April 2021 um 14:28 Uhr
Nachtrag / Update
Wie mit Pühringers Luxus-Projekt weiterging
Vitznaus neuer Dorfkönig sorgte auch nach der schweizweiten Abstimmung über die Pauschalbesteuerung für Diskussionen und Auseinandersetzungen:
«Investor Pühringer hat das Augenmass verloren»
zitiert zentralplus einen Vitznauer, der sich wagt, gegen das 250-Millionen-Projekt zu opponieren. Im Artikel geht es aber auch um zwei direkt betroffene Nachbarn, die gegen den geplanten Entlastungskanal für den Widibach Einsprache erhoben haben. Die massiven Betonverbauungen sind die Voraussetzung dafür, dass Pühringer in der Gefahrenzone trotzdem bauen kann.
Vitznau: Ein Millionär baut sein Dorf
Der zentralplus-Artikel vom 8.7.2017 lässt Pühringers Aktivitäten am Vierwaldstättersee Revue passieren und zeigt auf wie der neue Dorfkönig die VitznauerInnen spaltet: Gegner des Luxus-Projekts trauen sich kaum, öffentlich aufzutreten, denn Pühringer mache alles, „um sie als Blockierer zu brandmarken“, sagt der Zuger Anwalt Michael Stalder, der die EinsprecherInnen gegen den Widibach-Entlastungskanal vertritt. Und: „Pühringer hält sich nicht an die Spielregeln, wie wir sie hierzulande kennen. Er findet, dass ihm alle zujubeln sollen, weil er so viel für sie tut.“
Vitznau: Niederlage für Luxus-Projekt
meldet die Luzerner Zeitung am 6.9.2019. Das Luzerner Kantonsgericht habe zwei Beschwerden gutgeheissen und den Gestaltungsplan für die umstrittene «Panorama Residenz» aufgehoben. Notabene: 2018 hatten sowohl der Gemeinderat wie auch der Regierungsrat den Gestaltungsplan bewilligt. Das Kantonsgerichtsurteil ist das definitive Ende von Pühringers Luxus-Projekt, denn es wird nicht ans Bundesgericht weitergezogen. Etwas ausführlicher berichtet der BLICK über das Scheitern des Luxus-Projekts und titelt: „Multimillionär darf Villen am Vierwaldstättersee nicht bauen“.