Der Klotz auf der Allmend ist in Luzern nicht das erste Kunstwerk im öffentlichen Raum, das zu Kontroversen führt. Eine Spurensuche zu vergangenen und vergessenen Kunstskandalen zeigt, dass Luzern für Kunst im öffentlichen Raum ein hartes Pflaster war und ist.
Die als antike Helden idealisierten „Schweizer Schwinger“ von Hugo Siegwart (1908) sind eine patriotische Verherrlichung des Schweizer Nationalsports. Durch die möglichst naturgetreue Darstellung natürlicher Nacktheit erregte das Denkmal noch vor seiner Einweihung Anstoss in kirchlichen Kreisen, die in der Bronzeplastik eine sittliche und moralische Gefahr für die Jugend sahen. Der Denkmalstreit war so heftig, dass 1909 die Schwinger unter Polizeischutz auf dem Kurplatz aufgestellt wurden. Bald darauf verstummte der Protest. Ein halbes Jahrhundert später wurde die Plastik aufs Inseli versetzt, weil Kastanien die Schwingergruppe verdeckten.
Zu Ehren des Dichters und bisher einzigen Schweizer Literatur-Nobelpreisträgers Carl Spitteler, der von 1892 bis zu seinem Tod 1924 in Luzern lebte, schuf Roland Duss 1940 die „Liegende“. Der bronzene Frauenakt von sinnlicher Körperlichkeit löste eine Flut von Protestaktionen — viele empörten sich über die „nackte und lässig“ daliegende Frauenfigur. Mehrmals wurde sie mit Farbe verschmiert und einmal sogar von Unbekannten eingekleidet. Noch heute ziert die Bronzeplastik den Park am Carl-Spitteler-Quai.
Nicht viel besser erging der „Kauernden“ von Otto Charles Bänninger. Als die in einem Wettbewerb auserkorene und im Entwurf noch stehende Frauenfigur des Zürcher Bildhauers 1946 vor dem Eingang des Kunsthauses aufgestellt werden sollte, hagelte es Proteste. Sie waren so heftig, dass man auf den ursprünglichen Standort verzichtete und der Künstler 1951 eine kauernde Frauenfigur präsentierte. Heimlich wurde die Skulptur aus Cristallina-Marmor schliesslich im Garten auf der Ostseite des Kunsthauses aufgestellt. Auch in diesem Fall beruhigten sich die Gemüter rasch. Als das alte Kunsthaus dem KKL weichen musste, wurde in die Kauernde aufs Inseli versetzt.
Diese drei schon fast vergessenen Kunst-Skandale aus dem 20. Jahrhundert haben drei Gemeinsamkeiten: 1. Die Öffentlichkeit empörte sich über die „Nacktheit“ der drei Plastiken. 2. Nach der Aufstellung der Figuren flaute die Empörung rasch ab. 3. Aus heutiger Sicht ist die damalige Empörung kaum nachvollziehbar. Stellt sich nur noch die Frage, ob der Klotz auch unter Polizeischutz aufgestellt werden muss und ob er, falls er auf der Allmend keinen Platz mehr hat, ebenfalls aufs Inseli versetzt wird…
Quelle: Paul Rosenkranz, Mathias Steinmann, Lisa Fuchs & Dominik Hertach (2001): Stadtführer Luzern. Hrsg. von Jürg Stadelmann, Ulla Schoedler, Josef Brülisauer & Ruedi Meier. Werd Verlag, Zürich.
12. Februar 2011 um 19:11 Uhr
Das zeigt doch, dass es im öffentlichen Diskurs so etwas wie das Genre „Kunstskandal“ gibt. So betrachtet finde ich es etwas merkwürdig, wenn man der Zeitung vor Ort wieder mal vorwirft, sie habe die Polemik überhaupt erst entfacht. Einem Kunstwerk im öffentlichen Raum kann offensichtlich nichts Besseres passieren als eine Kontroverse vor dem Aufstellen. Alles, was danach kommt, ist eine Geschichte des Wegsehens. Oder hat irgend jemand, der noch am Leben ist, die beiden Skulpturen auf dem Inseli je beachtet?
Dabei sind sie beide wirklich gelungene Arbeiten. Die beiden Ringer sind etwas pathetisch, aber das passt zu ihrer Zeit.
Langweilig dürfte die politische Instrumentalisierung des Skandals werden. Die üblichen Verdächtigen. Die üblichen Argumente.
14. Februar 2011 um 21:02 Uhr
oder solche die es werden wollen, empfehle ich folgende DoppelDVD:
VON DEN SOCKELN.
10 Regisseure aus den neuen EU Ländern erzählen Geschichten und portraitieren ihr Land über ein Denkmal. Dies geschieht auf äusserst vielfältige Weise. Die Slowakei tut das zum Beispiel mit the hero who wasnt. Das sind prächtige Filme und gerne bei mir auszuleihen.
Du musst es mich nur wissen lassen.
15. Februar 2011 um 9:40 Uhr
REPLY:
Gerne würde mal testen, ob VON DEN SOCKELN mich vom Sockel haut…
15. Februar 2011 um 10:50 Uhr
dass du selbst (schon) zum Denkmal geworden bist !!!
5. Juni 2019 um 4:19 Uhr
Soll der Schweizer Schwinger Johann Ulrich Beer, Schwingerkönig 1827-1907 vertreten?
Ich entschuldige mich, ich weiß wenig von der deutschen Sprache?
Is the Schweizer Schwinger supposed to represent Johann Ulrich Beer, Schwingerkönig 1827 – 1907?
I apologize, I know little of the German/Swiss language? If it represents Johann Beer, I’m his great, great grand son and I would find it interesting if that was the case.
Thank you,
Mark Stone
5. Juni 2019 um 20:02 Uhr
Thank you for your comment. First I thought I can’t help you because I did’t know if the artist Hugo Siegwart had any real persons as models for his sculpture „Schweizer Schwinger“. But then I googled Johann Ulrich Beer and I found an article in the local newspaper „Truber Post“ titled Der Hochschwinger which confirms that your great, great grand dad at least inspired the artist. In this article you’ll find more information about the sculpture in Lucerne, about your ancestor in Trub and his emigration to the U.S. and finally about a new wooden sculpture with the Hochschwinger. Maybe you use Google Translator to translate the article but it won’t help with the swiss german part. Enjoy!
7. Juni 2019 um 4:38 Uhr
Kulturflaneur,
Thank you for your helpful information. I appreciate your time assisting me in discovering Johann Ulrich Beer history in Switzerland.
VR,
Mark