Hier ein Text, den ich für Klimaspuren verfasst habe, über eine Frage, die mich schon länger, aber seit ich mit Klimaspuren gewandert bin, noch intensiver beschäftigt und die mich seit dem Abstimmungsdebakel vom 13. Juni nicht mehr loslässt: Wie können Menschen, die sehenden Auges durch die Welt gehen, die allgegenwärtigen Spuren der Klimakrise einfach ignorieren und so tun als wäre alles in bester Ordnung?
Da sind einmal die Ignoranten und Besserwisserinnen, die sich wider alle Fakten die Welt so zurecht legen, wie es für sie am bequemsten ist und wie sie rein gar nichts an ihrem Lebensstil und ihrem Konsumverhalten ändern müssen. Sei es, weil sie zu träge, zu unaufmerksam, zu busy oder was auch immer sind, um genau hinzuschauen und die Konsequenzen zu ziehen. Sei es, weil sie in vollem Bewusstsein der Klimakatastrophe, die bereits im Gang ist und das Leben der jetzigen und der folgenden Generationen bedroht, sich um die Folgen foutieren – ganz nach dem Motto: Nach uns die Sintflut!
Da sind aber auch diejenigen, die angesichts des schleichenden Klimawandels (der allerdings – verglichen mit erdgeschichtlichen Zeiträumen – rasend schnell verläuft), das Gefühl haben, dass alles halb so schlimm und etwas wärmere Sommer durchaus begrüssenswert seien und das wir noch genügend Zeit hätten, um die Klimakatastrophe abzuwenden. Ich glaube, diese Menschen haben nicht begriffen, wie exponentielles Wachstum funktioniert. Es beginnt ganz langsam und schleichend, wird dann immer schneller, bis schliesslich die Wachstumsraten explodieren und die Kurve steil in die Höhe schiesst.
Manchmal hilft es, exponentielles Wachstum mit dem Gleichnis vom Seerosenteich zu erklären: Bei diesem Teich verdoppelt sich die Menge der Seerosen über Nacht. Am Tag x ist der Teich zu einem Achtel mit Seerosen bedeckt – es sieht schön aus und niemand ist beunruhigt. Am nächsten Tag bedecken die Seerosen einen Viertel, am übernächsten Tag schon die Hälfte der Wasserfläche des Teichs. Und dann über Nacht ist der Teich voll von Seerosen – in nur drei Nächten ist der Teich am Tag x + 3 zugewachsen. Es muss ja nicht eine Verdopplung über Nacht sein, aber genau so funktioniert exponentielles Wachstum.
Leider weisen viele Prozesse, die dafür verantwortlich sind, dass sich das Weltklima immer schneller erwärmt, exponentielle Wachstumsraten auf. WissenschafterInnen stellen fest, dass an den Hotspots der Klimakrise die Kipppunkte bereits überschritten sind, dass also das Abschmelzen der Polarkappen oder das Auftauen des Permafrosts in Sibirien nicht mehr aufzuhalten ist – es ist also bereits 5 nach 12 (vgl. die Postkarte von Boris Previšić: CO2: Fünf nach zwölf oder warum wir klimapositiv werden müssen). Die Explosion der Seerosen ist voll im Gang. Dennoch sollten wir die CO2-Emissionen weltweit möglichst rasch auf Null senken darüber hinaus grösste Anstrengungen unternehmen, um der Atmosphäre die klimaschädlichen Gase wieder zu entziehen.
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