Seit Sonntag ist definitiv klar, wer uns in Bundesbern vertreten wird. Nachdem auch im Aargau und in Zürich die zweiten Wahlgänge entschieden sind, ist die parteipolitische Zusammensetzung des Nationalrats (200 Sitze) und des Ständerats (46 Sitze) bekannt. Während es in der grossen Kammer einen Rechtsrutsch gab — die Rechtsbürgerlichen verfügen neu über eine knappe Mehrheit von 101 Sitzen, blieb in der kleinen Kammer alles beim Alten.

Nach dem Erdrutschsieg der SVP in den Nationalratswahlen vom Oktober (plus 11 Sitze) feierte sich die rechtsbürgerliche Partei als Wahlsiegerin. Seit der Änderung des Wahlsystems 1919 ist noch nie eine Parlamentsfraktion so gross gewesen wie die neue SVP-Fraktion (65 + 5 Sitze) — allerdings hat die Populistenpartei nur die Scharte von vor vier Jahren ausgewetzt und im Vergleich zu 2007 nur einen Sitz dazugewonnen. Das rechtsbürgerliche Lager sei gestärkt aus den Wahlen hervorgegangen, hiess es in den Medien. Das stimmt, aber auch wahr ist, dass die Rechtsbürgerlichen (Freisinnig-Demokratische Partei und weiter rechts) in den letzten zwölf Wahlen immer über 42% bis knapp 50% der Parlamentsmandate innehatten und 1991, 1999 wie auch 2003 noch näher an der 50%-Marke dran waren als heuer (120 von 246 Sitzen). Die Grafik zeigt, dass es der SVP über die Jahrzehnte gelungen ist, die rechtsnationalen Parteien, wie die Schweizer Demokraten und die Freiheits-Partei Schweiz, zu absorbieren und darüber hinaus dem Wirtschaftsfreisinn das Wasser abzugraben.

Nicht ganz so konstant war das links-grüne Lager (von der Partei der Arbeit über SP bis zu den Grünen), das sich von einem 22.5%-Anteil im Jahr 1971 auf 32% der Parlamentssitze im Jahr 2003 steigern konnte, seither aber Wahl für Wahl Sitze abgeben musste. Die Linke konnte sich in dieser Wahl knapp halten (-2 Sitze für die SP, +1 Sitz für die PdA) und stellt mehr Ständeräte als je zuvor. Die Grüne Partei der Schweiz gehört zum zweiten Mal in Folge zu den Wahlverlierern und musste 5 der 17 Mandate abgeben. Aber das links-grüne Lager, das aktuell über 68 der 246 Sitze verfügt, musste schon immer mit der bürgerlichen Mitte zusammenspannen, um etwas zu erreichen, und kann zur Not auch mal das Referendum gegen rechtsbürgerliche Vorlagen ergreifen, so dass das Volk das letzte Wort hat.

Verloren haben auch die neuen Mitteparteien, die 2011 noch zu den Wahlsiegern gehörten. Während sich der Schaden bei der BDP mit -2 Sitzen noch in Grenzen hielt, verloren die Grünliberalen mit -7 Sitzen gleich die halbe Fraktion. Auch die CVP/CSP-Fraktion befindet sich seit 1975 fast ununterbrochen im Krebsgang und schrumpfte in 40 Jahren von 63 auf 41 Sitze. Bei diesen Wahlen wurde sie von der FDP überholt und stellt nur noch die viertgrösste Parlamentsdelegation. Im Ständerat jedoch ist die CVP eine Macht: Hier stellen drei Parteien bzw. Parteigruppen je 13 Vertreter: SP/Grüne, CVP sowie die FDP. Mit nur 5 Mandaten ist die SVP im Stöckli klar in der Minderheit — sobald es darum geht, konsensfähige Politiker aufzustellen, die in einem Kanton für eine Mehrheit der WählerInnen wählbar sind, versagt die Populistenpartei weitgehend. Die bürgerliche Mitte (CVP, EVP, GLP und BDP) ist im Oktober zwischen die Räder geraten und verlor von 68 Mandaten 10 ans rechtsbürgerliche Lager.

Und hier die nackten Zahlen (die als Grundlage für die Grafik dienten):

Die Sitzzahlen in der vereinigten Bundesversammlung (National- und Ständerat) 1971 - 2015

Die Sitzzahlen im Bundesparlament (National- und Ständerat) 1971 – 2015

Fazit: Obwohl Parteien verschwanden, wie der Landesring der Unabhängigen, die Eidgenössische Demokratische Union oder die Schweizer Demokraten, und andere neu entstanden, wie die Grüne Partei der Schweiz, die Grünliberalen oder die BDP, ist die vereinigte Bundesversammlung — abgesehen von prozentualen Verschiebungen innerhalb der grossen politischen Lager — über Jahrzehnte hinweg doch unglaublich konstant geblieben. Das Bundeshaus in Bern scheint ein Bollwerk der Stabilität zu sein, das jeden weltpolitischen Sturm vom Klimawandel über Reaktorkatastrophen, Eurokrisen und den Kriegen im Nahen Osten bis zum kaum noch zu bewältigenden Flüchtlingsstrom unbeschadet übersteht. Ich frage mich nur, wie lange diese schweizerische „Uns-geht’s-gut-Politik“ auf dieser „Insel der Glückseligen“ noch weitergeführt werden kann.