Würde Luzern mit den Agglogemeinden Adligenswil, Ebikon, Emmen und Kriens fusionieren, wäre die Stadt mit 145’000 EinwohnerInnen mit einem Schlag die viertgrösste Stadt der Schweiz — hinter Zürich, Genf und Basel, aber noch vor Bern, Lausanne und Winterthur. Mit dieser grossstädtischen Perspektive setzt sich das druckfrische Sonderheft von Hochparterre mit dem Titel „Luzern wird gross — mehr als KKL, Verkehrshaus und Kapellbrücke“ auseinander: Diese Auslegeordnung zur Stadtentwicklung von Luzern ist ein Muss für alle, die sich mit der Zukunft von Luzern auseinandersetzen wollen.
Das von der Architekturzeitschrift Hochparterre und von Wüest & Partner in Zusammenarbeit mit der Baudirektion der Stadt Luzern herausgegebene Sonderheft beschäftigt sich nicht mit dem Luzerner Postkartenidyll, sondern mit den Fusionsplänen und ihren Folgen, den grössten Verkehrsprojekten in der Region sowie den Brennpunkten der Stadtentwicklung: dem Gebiet um den Bahnhof, der Allmend und dem Entwicklungsschwerpunkt Luzern-Nord mit dem neuen Stadtteil Littau.
- Wie gross wird Gross-Luzern? Diese Frage behandelt ein erster Text, der die Fusion Luzern – Littau analysiert und sich mit dem Projekt „Starke Stadtregion Luzern“ auseinandersetzt. Dieses 2008 gestartete Projekt soll ergebnisoffen die Modelle „Fusion“ und „Kooperation“ prüfen — am 28.3.2011 wird der Schlussbericht präsentiert. Wie es auch immer rauskommt: Der Wille zur Zusammenarbeit sei da, meint Stapi Urs W. Studer, und man sei in jedem Fall weiter als 2009.
- Die Agglomeration Luzern müsse bis 2030 mit einer Frequenzzunahme von 20% beim Strassenverkehr und von 40% beim öV rechnen, steht im Artikel zu den vier grossen Verkehrsprojekten, die zur Zeit aktuell sind: Tieflegung der Zentralbahn (im Bau), Tiefbahnhof für die SBB-Linie Zürich – Zug – Luzern (Vorprojekt bis 2012), Umgestaltung des Seetalplatzes (2012: Volksabstimmung über den Kredit von 115 Mio.) und der Bypass für die A2 zwischen Emmenbrücke und Kriens (Vorabklärungen sind im Gang). Ob der Bypass tatsächlich mithilft, das Verkehrswachstum auf den öffentlichen Verkehr zu konzentrieren und so die Wohnqualität in den Quartieren und im Stadtzentrum zu erhalten, darf bezweifelt werden, bringt doch jede neue Strasse zusätzlichen Verkehr…
- Der dritte Text befasst sich mit den Folgen des Bahnhofbrands für die Entwicklung des Stadtzentrums, den wohl stärksten Veränderungen der letzten 40 Jahre: Neubau des Bahnhofs, Hochschule für Wirtschaft, KKL, Lakefront Center mit dem Hotel Radisson, Umnutzung der Post zur Uni, Geschäftsüberbauung Citybay und Tribschenstadt sind die Stichworte.
- Sehr interessant ist der Artikel zur Kultur- und Bildungsstadt Luzern: Nachdem das Phantomprojekt der Salle Modulable vom Tisch ist, stellt sich die Frage, ob die damit verbundenen Ideen auch gleich verpuffen. „Nein“, sagt Kulturchefin Rosie Bitterli, „Was wir inhaltlich definiert haben, bleibt. An dieser Perspektive und den gemeinsam entwickelten Visionen wollen wir weiterarbeiten.“ Und für Philippe Bischof, bis vor kurzem Leiter des Kulturzentrums Südpols, ist klar: „Ob die Salle Modulable gebaut wird oder nicht — die städtische Kulturpolitik kann nicht mehr hinter diese Position zurückgehen.“ Das Problem, dass im Zentrum immer mehr Kulturnischen verloren gehen und die freie Szene an den Rand gedrängt wird, hat auch Rosie Bitterli erkannt. Sie möchte brachliegende Areale für kulturelle Zwischennutzungen öffnen. Nur: Wo gibt es in Luzern noch solche Areale?
- Weitere Artikel beschäftigen sich mit der Wohnstadt Luzern (zahlreiche Projekte werden kurz portraitiert), mit den Folgen der Fusion Luzern – Littau für den Immobilienmarkt, mit Entwicklungen auf der Allmend, mit Luzerns Wirtschaft (Nur gerade 15% der Wertschöpfung stammen aus dem Tourismus, doch woher kommen die restlichen 85%?) sowie mit Littau, das sich von der Kiesgrube zu einem neuen Stadtteil von Luzern entwickelt hat. Mit einem Gespräch mit Baudirektor Bieder und Alt-Stadtarchitekt Deville über die Revision der Zonenordnung und den Tiefbahnhof endet das Sonderheft.
Alles in allem ist „Luzern wird gross“ eine gute und reich bebilderte Auslegeordnung aller zur Zeit aktuellen Themen im Bereich Stadtentwicklung, wenn auch einzelne Aspekte manchmal etwas schönfärberisch abgehandelt werden.
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