Eigentlich wollten wir an der EXPO den japanischen Pavillon besuchen, doch 90 Minuten Wartezeit waren uns doch zu lange. Deshalb habe ich Frau Frogg vorgeschlagen, stattdessen Japanisch zu essen, zumal man da nicht anstehen musste. Ganz problemlos war das nicht — dafür war ein weisses Kätzchen mit von der Partie.
Viele Restaurants in Japan stellen ihr Angebot in einem Schaufenster aus — die einen reale Menüs, die anderen Plastiknachbildungen. Was für westliche Japanreisende extrem praktisch ist: Wer nicht Japanisch kann, muss nur noch das Servierpersonal nach draussen locken und auf das gewünschte Menü zeigen. Im japanischen Selbstbedienungsrestaurant an der Expo ist es natürlich nicht so. Da gibt es einen Bestellcomputer mit Touchscreen, an dem man bestellen und bezahlen kann — die JapanerInnen sind eben wirklich so technologiegläubig, wie ihnen nachgesagt wird. Frau Frogg überlässt es mir zu bestellen und ich lasse mir gerne von einer jungen Japanerin, die da arbeitet, helfen. Dann geht es fix: Kaum bestellt und bezahlt, ist unser Essen auch schon in der Pfanne. Und dem Küchenpersonal — das zum Glück noch der analogen Welt angehört — kann man beim Kochen und Anrichten zuschauen. In Nullkommanix ist unser Essen abholbereit: zwei sehr präsentable Plateaux mit wunderschön angerichteten Schalen und Schälchen mit japanischem Essen, japanischem Bier und Grüntee für Frau Frogg.
Schön sieht es aus, was da vor uns steht. Und um was es sich handelt, können wir einigermassen erahnen. Aber was isst man wie? Tunkt man das gebratene Gemüse in der Miso-Suppe? Wir sind in fernöstlichem Essen keine Anfänger mehr — Hello Kitty’s Anleitung fürs Essen mit Stäbchen brauchen wir nicht, dennoch sind wir etwas ratlos. Ich kann Frau Frogg gerade noch davon abhalten, etwas Suppe an den klebrigen, für unseren Geschmack zu trockenen Reis zu geben. Sie hätte den Reis kaum noch mit Stäbchen essen können. Hinzu kommen die uns unbekannten Geschmäcker, insbesondere Umami (jap. 旨味, dt. „fleischig und herzhaft, wohlschmeckend“), der fünfte Geschmack neben süss, sauer, salzig und bitter.
Nicht nur Umami ist eine japanische „Erfindung“, sondern auch Hello Kitty (jap. ハローキティ, Harō Kiti, voller Name: Kitty White). Das weisse Kätzchen, das bei uns am Tisch sitzt und uns japanisches Essen erklärt, hat am 1. November Geburtstag und lebt mit seinen Eltern Mary und George und seiner Zwillingsschwester Mimmy in London. Gemäss Wikipedia ist Hello Kitty eine 1974 entstandene Kunstfigur, die dem japanischen Unternehmen Sanrio hilft, seine Produkte zu vermarkten. Inzwischen gibt es in über 60 Ländern mehr als 50’000 Hello Kitty-Produkte, die längst nicht alle von Sanrio hergestellt werden — Sanrio vergibt für die Nutzung des Kätzchens Lizenzen und macht mit Hello Kitty über die Hälfte des Jahresumsatzes von 1 Milliarde US-Dollar. In den 1990er Jahren erlebte Hello Kitty in Japan einen zweiten Boom, als Mütter, die mit Harō Kiti aufgewachsen waren, die entsprechenden Produkte vermehrt für ihre Kinder kauften. In Katzenjahren gemessen, ist Hello Kitty nicht nur längst erwachsen, sondern mit 287 Jahren eine Katzengreisin, die nicht zu töten ist.
Hello Kitty erklärt uns, dass die Grundform einer japanischen Mahlzeit „Ichiju Sansai“ genannt wird: „Sansai“ besteht aus einem Hauptgericht (Fisch / Fleisch) und zwei Beilagen (Gemüse, Pilze, Kartoffeln, Algen etc. sowie Pickles). Hinzu kommen „Ichiju“, eine Umami-haltige Suppe, sowie Reis. Frisch zubereitet bilden diese Gerichte zusammen ein gesunde und ausgewogene Mahlzeit. Und tatsächlich: Wir haben nicht das Gefühl, uns überessen zu haben, und dennoch hält uns die japanische Mahlzeit lange im Gang (was an der EXPO auch nötig ist). Und wer weiss, vielleicht ist „Ichiju Sansai“ die Diät, die den JapanerInnen und ihrem weissen Kätzchen ein überdurchschnittlich langes Leben verschafft. „Gochisosama“ sagt man im Japan nach dem Essen und bedankt sich so bei den GastgeberInnen und bei der Natur, die all die Zutaten und alles Leben hervorbringt. Was dieses clevere Büsi aus Japan nicht alles weiss!
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