Als Mitglied einer bevölkerungsmässig kleinen Nation ärgere ich mich nach Olympiaden jeweils über den Medaillenspiegel, schneiden doch bevölkerungsreiche Länder fast automatisch besser ab: viele Menschen — viele Medaillen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Von den zehn bevölkerungsreichsten Staaten dieser Erde sind nur vier auch an der Olympiade in London in den Top Ten, während drei dieser Länder keine einzige Medaille und Indien mit 1.241 Milliarden Menschen nur gerade 6 Medaillen gewinnen konnten. Da kann die Schweiz mit 2 x Gold und 2 x Silber eigentlich ganz zufrieden sein. Doch es wäre fairer, wenn Medaillenspiegel bevölkerungsmässig gewichtet würden.

Genau das hat der Neuseeländer Craig Nevill-Manning auf seiner Internetsite www.medalspercapita.com getan:


Der Screenshot von www.medalspercapita.com zeigt die Rangliste der Olympianationen nach Bevölkerung pro Medaille sowie drei interaktive Karten (je grüner, desto mehr olympisches Metall pro Kopf).

Wenn es nach Medaillen pro Kopf der Bevölkerung geht, dann gewinnt die Karibikinsel Grenada dank Gold von Kirani James über 400 Meter (110’821 Einw./Medaille) vor Jamaika (225’485 Einw./Medaille) und Trinidad & Tobego (329,428 Einw./Medaille). Auf den Plätzen 4 bis 10 folgen Neuseeland, die Bahamas, Slowenien, die Mongolei, Ungarn, Montenegro und Dänemark. Die Schweiz, die im Tagi-Medaillenspiegel auf dem 33. Platz zu finden ist, rangiert bei den Medaillen pro Kopf noch weiter hinten an 42. Stelle.

Wie diese Grafik zeigt, haben wir an einer Sommerolympiade schon lange nicht mehr so schlecht abgeschnitten:


Zum Vergrössern auf die Grafik klicken! Sie zeigt das Abschneiden der Schweiz an den Olympiaden der Moderne: blau = Anzahl gewonnener Medaillen, rot = Bevölkerung pro Medaille, grün = Rang bei den Medaillen pro Kopf. Lesebeispiel: An der Olympiade von 1924 in Paris gewann die Schweiz 25 Medaillen, dh. eine Medaille auf 156’212 EinwohnerInnen. Damit kam die Schweiz bei den Medaillen pro Kopf auf den 2. Platz. Das war noch Zeiten! Quelle: www.medalspercapita.com

Proportional zur Bevölkerung landete die Schweiz in London auf dem viertschlechtesten Platz in der Geschichte der modernen Sommerolympiaden. Nur 1992 in Barcelona mit einer Medaille und 1908 und 1912, als es in London und Stockholm überhaupt kein olympisches Edelmetall gab, hat die Schweiz noch schlechter abgeschnitten. Das war nicht immer so: An den 27 Olympiaden schaffte es die Schweiz 11 mal in die Top Ten, an den zweiten Sommerspielen 1900 in Paris sogar auf Platz 1 von 20 rangierten Nationen. Die Tendenz allerdings zeigt abwärts: Entweder werden wir als Sportnation immer schlechter oder die anderen immer besser. Sicher ist: Es wird immer schwieriger, eine Medaille zu gewinnen.

Die „ewige“ Bestenliste über 27 Sommerolympiaden zeigt bei den Medaillen pro Kopf nochmals ein leicht anderes Bild:


Auf der Rangliste auf www.medalspercapita.com/#medals-per-capita:all-time hat überraschenderweise Finnland die Nase vorn, vor Schweden und Ungarn. Von den in London 2012 erfolgreichen Ländern gehören Dänemark, die Bahamas und Jamaika auch über lange Frist zu den Top Ten. Aber schon auf Platz 11 rangiert die Schweiz, unmittelbar vor Neuseeland.

Aber auch bei anderen Vergleichskriterien auf www.medalspercapita.com ist die Schweiz langfristig eine Sportnation: 15. bei den Goldmedaillen pro Kopf, 12. bei den gewichteten Medaillen pro Kopf (Gold zählt 4x, Silber 2x, Bronze 1x). Mit total 184 mal olympischem Edelmetall und 47 mal Gold erreicht die Schweiz aber auch bevölkerungsmässig nicht gewichtet noch den guten 23. bzw. 25. Platz. Nur wenn man die 184 Olympiamedaillen der Schweiz mit dem Bruttoinlandprodukt von 635.65 Milliarden USD vergleicht, landet die Schweiz auf dem relativ schlechten 45. Rang — wirtschaftliche Grösse bedeutet nicht automatisch auch sportlicher Erfolg: Die grössten Volkswirtschaften, die USA, China und Japan, belegen in der Rangliste BIP pro Medaille nur die Ränge 69, 93 und 92. In dieser ewigen Bestenliste der armen, aber erfolgreichen Länder führt Jamaika vor Bulgarien und Ungarn.