In fünfeinhalb Tagen bin ich von Bern nach Luzern gewandert, allerdings nicht am Stück und nicht der Reihe nach. Ausserdem habe ich die 3.1 km lange Strecke zwischen Schloss Sumiswald und Wasen im Emmental ausgelassen — füllen werde ich diese Lücke wohl nie. Anlässlich seiner Pensionierung hatte Studienkollege Urs zu einer Weitwanderung von Wabern nach Oberrieden (93.6 km Luftlinie) eingeladen: In 7 Tagen wollte er von seinem Arbeitsort in Wabern bei Bern nach seinem Wohnort Oberrieden wandern. Aus verschiedenen Gründen wurde aus der Pensionierungswanderung von Urs mein eigenes Wanderprojekt von Bern nach Luzern (66.8 km Luftlinie).

Die zwei Wanderprojekte in der Übersicht (zum Vergrössern auf die Karte klicken)
rot = Luftlinie der Pensionierungswanderung von Urs
gelb = Luftlinie meines Wanderprojekts
blau = effektive Wanderroute von Bern nach Luzern

 

Wie wurde aus der Pensionierungswanderung von Urs mein eigenes Wanderprojekt? Aus gesundheitlichen Gründen musste Urs seine geplante Wanderung absagen. Da ich jedoch die Übernachtung im Berghotel auf dem Napf schon gebucht hatte, wanderte ich die beiden Etappen über den Napf halt alleine: die Etappe 3 von Wasen i.E. auf den Napf wie geplant und die Etappe 4 vom Napf nicht nach Willisau, sondern nach Wolhusen. Als Urs einen zweiten Anlauf nahm, konnte ich terminlich nur die ersten beiden Etappen mitwandern (Wabern – Bigenthal – Wasen i.E.). Weil ich die letzte halbe Etappe von Kriens-Obernau nach Luzern schon mehrfach gemacht habe, wenn auch in umgekehrter Richtung, fehlte mir zwischen Bern und Luzern — abgesehen vom Stück von Sumiswald nach Wasen — nur die fünfte Etappe von Wolhusen nach Kriens-Obernau.

1. Etappe: Wabern – Bigenthal

Die Wanderung mit Fernziel Oberrieden bzw. Luzern führt zunächst durch Berns Aussenquartiere Wabern und Saali sowie die Agglomerationsgemeinden Muri und Gümligen. Ein erstes Highlight ist die Aareüberquerung mit der Fähre. Über den Gümligenberg und den Dentenberg ist’s recht ländlich, dann in Boll im Worbletal hat uns die Agglomeration wieder: Hier wird gebaut als gäb’s kein Morgen. Der zweite Teil dieser Etappe führt über Utzigen und zwei Weiler nach Bigenthal — Bigutu auf Berndeutsch. Die Route ist vom Charakter her sehr ländlich, leider ist ein grosser Teil der Wegstrecke asphaltiert. Kurz: Eine interessante Wanderung von der Berner Agglo ins Hügelland östlich von Bern.

Facts der 1. Etappe: 21.1 km, 690 m aufwärts, 570 m abwärts, Wanderzeit 5 h 47
gewandert am 15.8.2022, Geodaten der Etappe 1 (KML)

Übernachtung: In Bigenthal gibt es keine Übernachtungsmöglichkeit und das einzige Hotel in Hasle-Rüegsau war ausgebucht, aber Burgdorf, das nur zwei Bahnstationen weiter und ein überraschend schönes Städtchen ist, verfügt über Hotels und eine schöne Jugendherberge auf dem Schloss.

2. Etappe: Bigenthal – Sumiswald (- Wasen i.E.)

In Bigutu treffen wir zwei Freunde von Urs, die die zweite Etappe mitwandern, die — vereinfacht dargestellt — von einem südlichen Seitental via Lützelflüh in ein nördliches Seitental des Emmentals führt. Wir folgen aber nicht dem Biglenbach nach Norden, sondern der imaginären roten Linie zwischen Wabern und Oberrieden, und erfahren so, was das Wort Graben in Ortsbezeichnungen wie „Widimattgrabe“ und „Talgrabe“ für Wandernde bedeutet: Zwischen den Gräben, die die Landschaft rund um den Napf zerfurchen, geht es stotzig auf- und wieder abwärts. In Lützelflüh, wo Schriftsteller Jeremias Gotthelf noch als Vikar Albert Bitzius tätig war, erinnert viel an den sprachgewaltigen Schweizer Dichter. Hätte Charles Lewinsky im Poetenolymp die Tischkärtchen zu verteilen, würde er Gotthelf einen Platz am Ehrentisch reservieren, gleich neben Balzac und Dickens (in Projekt Schweiz — Vierundvierzig Porträts aus Leidenschaft, hg. von Stefan Howald). An Gotthelfs Wirkungsstätte überqueren wir die Emme, die trotz des trockenen Sommers immer noch Wasser führt. Über Landwirtschaftsland mit behäbigen Bauernhäusern mit grossen Dächern geht’s im Tal der Grüene bis nach Grünen und Sumiswald. Beim Schloss Sumiswald, wo Urs im BnB übernachtet, endet für mich die zweite Etappe, wir trinken ein Bier und ich fahre nach einer schönen Wanderung quer durchs Emmental via Grünen-Sumiswald und Huttwil nach Hause.

Facts der 2. Etappe: 18.4 km, 500 m aufwärts, 490 m abwärts, Wanderzeit 4 h 56
gewandert am 16.8.2022, Geodaten der Etappe 2 und des verbliebenen Rests (KML)

Übernachtung: Urs hat im SchlafSchloss Sumiswald (BnB) übernachtet und ihm hat’s gepasst, er hat jedenfalls nichts Negatives berichtet.

3. Etappe: Wasen i.E. – Napf

Wasen im Emmental (752 m.ü.M.) liegt eigentlich im Tal der Grüene. Von diesem Tal erstrecken sich drei Gräben Richtung Napf, dem dritten Etappenziel: der Churzeneigrabe, der Wyttebachgrabe und der Hornbach(grabe). In Wasen beginnt mein langer Aufstieg zum Napf auf dem Rücken zwischen den ersten beiden Gräben über Vorder- und Hinderarni zur Oberlushütte (1309 m.ü.M.), wo ich mir einen alkoholfreien Suure Moscht genehmige — zum Glück sind rund um den Napf Möschteler zu Hause, die wie ich ihren Durst lieber mit Apfelwein löschen. Ab hier ist es mehr ein Grat als ein Hügelrücken, der übers Hochänzi, den Änzisattel und Niederenzi ostwärts zum Napf führt. Nördlich der Wanderroute geht’s steil hinunter in die Gräben Richtung Luthern Bad, südlich in den Hüttengrabe und den Fankhusgrabe Richtung Trubschachen. Bis auf den Napf (1406 m.ü.M.) zieht sich’s. Nach dem Schlussaufstieg bin ich ziemlich abgekämpft und froh, dass ich endlich oben bin. Fazit: Eine recht einsame, schweisstreibende Wanderung durch eine hügelige Landschaft, die zum Napf hin allmählich gebirgiger wird. Durch die geografische Lage zwischen Mittelland und Alpen bieten sich immer wieder tolle Ausblicke aufs Mittelland und den Jura, vor allem aber in die Voralpen und Alpen — der Alpenpanoramaweg vom Bodensee nach Genf führt nicht umsonst über den Napf.

Facts der 3. Etappe: 15.9 km, 1060 m aufwärts, 410 m abwärts, Wanderzeit 5 h 12
gewandert am 16.6.2022, Geodaten der Etappe 3 (KML)

Übernachtung:  Das Berghotel Napf ist einfach, zweckmässig und zahlbar. Am Donnerstag ist Ruhetag. Übernachten ist nur montags, dienstags, freitags und samstags möglich. Telefonisch zu reservieren, ist jedenfalls sinnvoll.

4. Etappe: Napf – Wolhusen

Vom Napf (1406 m.ü.M.) schicke ich Urs ein Selfie von seiner Pensionierungswanderung, denn hier oben trennen sich unsere Routen: Während er, um sich der imaginären roten Linie wieder anzunähern, in nördliche Richtung via Hergiswil nach Willisau wandern will, steige ich in nordöstlicher Richtung über die Stächelegg zur Chrothütte (ca. 1050 m.ü.M.) ab. Von da geht es praktisch auf gleicher Höhe am Gitzichnubel vorbei zur Gmeinalp und dann via Ober Waldegg und Kaltenegg zur Gutenegg (983 m.ü.M. — ein Weiler zwischen Menznau und Menzberg). Rechts unten ist der Chrachegrabe, der seinem Namen alle Ehre macht und sich über die Kleine und die Grosse Fontanne in die Kleine Emme entwässert. Über die Aetzleschwand wandere ich auf den Steinhuserberg (837 m.ü.M.), wo ich mich über den modernen Kirchenbau wundere, ist doch das Luzerner Napfgebiet als erzkonservative Gegend berüchtigt. Nach einem Kilometer beginnt der steile Abstieg, der ins Tal der Kleinen Emme hinunter führt. Im Talboden unten beginnt der Ort Wolhusen (571 m.ü.M.). Zum Bahnhof, der sich fast am anderen Ende von Wolhusen befindet, sind es noch fast 2 Kilometer auf geteerten Strassen — nach einem solchen Abstieg an einem heissen Sommertag eine Tortur für die geschundenen Füsse. Fazit: eine wunderschöne, aussichtsreiche Höhenwanderung durch eine erzkonservative Hügellandschaft mit steilen Abstiegen am Anfang und am Schluss.

Facts der 4. Etappe: 17.8 km, 250 m aufwärts, 1090 m abwärts, Wanderzeit 4 h 44
gewandert am 17.6.2022, Geodaten der Etappe 4 (KML)

Übernachtung: keine, denn wir haben fürs Wochenende anderes vor (siehe nächster Abschnitt), aber ein Blick ins Internet zeigt: Übernachten in Wolhusen ist möglich.

Klimagespräche zum Abschluss von Klimaspuren

Cover von «Auf Klimaspuren — eine Expedition von Ilanz nach Genf»

Von Wolhusen fahre ich mit dem Regio Express nach Hause, um zu duschen und mich parat zu machen für das Wochenende in Flüeli-Ranft, wo die 4. Ranfter Klimagespräche stattfinden. Sie sind quasi der Abschluss von Klimaspuren, eines anderen Weitwanderprojekts, der klimapolitischen Weitwanderung von Ilanz nach Genf, an der ich 2021 etwa die Hälfte mitwanderte (vgl. meine Blogbeiträge zu Klimaspuren). Es war ein „Klassentreffen“ mit vielen, die 2021 dabei waren, mit Referaten und Diskussionen, dem Film Auf Klimaspuren und der Buchvernissage von Auf Klimaspuren – eine Expedition von Ilanz nach Genf.

5. Etappe: Wolhusen – Kriens-Obernau

Von Bern nach Luzern fehlt mir noch eine Tagesetappe: nämlich die 19 km von Wolhusen (571 m.ü.M.) nach Kriens-Obernau (554 m.ü.M.). Ich fahre nach Wolhusen und nehme die letzte Etappe unter die Füsse. Um nicht der Hauptstrasse im Talboden entlang wandern zu müssen, mache ich einen kleinen Umweg und halte zunächst Richtung Ruswil. Auffällig sind die Stangen mit den orangen Täfeli, die den Verlauf der Transitgasleitung markieren, die von Deutschland über den Griespass nach Italien führt (vgl. Karte). Hier ganz in der Nähe befindet eine Verdichterstation der Transitgas AG.

Über die gedeckte Holzbrücke in Werthenstein quere ich die kleine Emme und gelange zum Kloster Werthenstein, das auf einem Felssporn thront und das schon nur wegen der Aussicht übers Tal einen Besuch wert ist. Der Wallfahrtsort Werthenstein geht auf eine Marienerscheinung eines holländischen Goldwäschers zurück. Das Kloster, das zu Beginn des 17. Jahrhunderts errichtet wurde zur Betreuung der wachsenden Pilgerschar, wurde von der Luzerner Regierung im Jahr 1838 aufgehoben, aber das Kloster Werthenstein — zwischen Emme und Himmel — blieb bis heute eine 1a-Pilgerstätte am Jakobsweg.

Weiter geht’s der Kleinen Emme entlang über Schachen, wo grosse Logistikzentren den Talboden füllen und den Beginn der Luzerner Agglo markieren, nach Malters, das in den 1980er Jahren in den Sog der Stadt geriet und seither stark gewachsen ist. Beim Kraftwerk Ettisbühl, kurz vor Malters, wurde nach dem Hochwasser von 2005 eine Holzrückhalteanlage gebaut — die lange Reihe von hohen Pfählen, die bei Hochwasser das Schwemmholz zurückhalten, hat den Charakter eine Landart-Kunstwerks: eine Schutzbaute, die den Kulturflaneur fasziniert.

Der zweite Teil dieser Etappe führt von Malters hangaufwärts auf den Blatterberg. Der Bergpreis winkt auf dem Chrüzhubel auf 999 Metern über Meer. Obwohl nicht völlig ab vom Schuss, wirkt diese hügelige, voralpine Gegend zwischen Malters, Schwarzenberg, Pilatuskette und Kriens doch recht ländlich. Mit dem Abstieg Richtung Ränggloch, Obernau und Kriens rückt die Luzerner Agglo immer mehr ins Blickfeld. Fazit: eine vielseitige und interessante Wanderung, entlang der Kleinen Emme zunächst recht flach, dann mit dem Chrüzhubel doch noch recht stotzig und aussichtsreich. Wer die Höhenmeter scheut, kann von Malters rund 3 km weiter flussabwärts gehen, dann rechts abbiegen und via Blatten und Ränggloch nach Obernau wandern.

Facts der 5. Etappe: 18.9 km, 620 m aufwärts, 631 m abwärts, Wanderzeit 5 h 20
gewandert am 2.9.2022, Geodaten der Etappe 5 (KML)

Übernachtung: keine, denn von der Bus-Endstation Obernau in Kriens sind es nicht einmal 20 Minuten mit dem Bus bis zu mir nach Hause.

6. Etappe: Obernau – Luzern

Die letzte Etappe dieser Weitwanderung ist in einem halben Tag zu machen. Diese Nachmittagswanderung über den Sonnenberg habe ich schon mehrfach gemacht, allerdings in umgekehrter Richtung von Luzern über den Sonnenberg nach Kriens-Obernau. Da ich sie als Expedition in die Agglo anbieten wollte, habe im Beitrag Interessanter Sonnenberg eine Vorschau geschrieben, in der nachzulesen ist, was auf dieser Halbetappe von Obernau nach Luzern interessant ist. Ich erspare mir deshalb hier die ausführliche Schilderung dieser in vielerlei Hinsicht interessanten Wanderung.

Facts der 6. Etappe: 10.1 km, 418 m aufwärts, 517 m abwärts, Wanderzeit 3 h 10
gewandert am 27.10.2022, Geodaten der Etappe 6 (KML)